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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Tasse.
    »Das ist nicht etwa der Begrüßungsschluck«, sagte er grimmig, »sondern das ist gegen den Schnupfen!«
    Während sie sich zu Tisch setzten und ihre Brote aßen und den heißen Tee tranken, machte Lutz ihnen in der Kammer die Betten zurecht. Er warf ihnen ein paar bunte Kissen von seinem Diwan auf die Kopfkeile, breitete über die eine Matratze ein Laken und über die andere ein Tischtuch, legte ihnen seine Wolldecke hinüber und die Jacken seiner Anzüge dazu und behielt für sich seinen Wintermantel zum Zudecken.
    »So und jetzt ins Bett mit euch! Und behaltet euer Unterzeug an, damit ihr nicht erfriert. Und falls ihr euch unterstehen solltet, krank zu werden, dreh ich euch höchst eigenhändig die Kragen ab, verstanden?!« Er scheuchte sie in die Kammer und blieb in der überheizten Bude allein zurück. Eine gute halbe Stunde lang saß er, von Bello aufmerksam beobachtet, auf der Ecke seines Diwans und rauchte eine Zigarette an der anderen an. Als er schließlich die Fenster öffnete und mit dem Hund noch einmal nach unten ging, sah er im Briefschlitz einen gelben Umschlag hängen, den er beim Eintritt ins Haus übersehen hatte. Unverkennbar ein Telegramm. Er ahnte, woher es kam, und öffnete es ohne Nervosität.
    KINDER VERSCHWUNDEN FALLS BEI IHNEN DRAHTNACHTRICH ERBETEN KOMME UMGEHEND FRIEDRICH ROECKEL
    Lutz sandte sein Telegramm an die Roeckels in der Frühe des nächsten Morgen ab. Die Kinder schliefen noch, als er den Turm verließ, und sie schliefen auch noch, als er von der Post zurückkehrte. Erst, als der Bello an ihrer Tür zu winseln und zu kratzen begann, erwachten sie und erschienen in seinem Zimmer, um sich an der Wasserleitung zu waschen.
    Der Kirschwassergrog hatte die Erkältung und den Schnupfen vertrieben. Sie waren ziemlich kleinlaut und bedrückt und tauten erst wieder auf, als sie merkten, daß sich die Stimmung von Lutz über Nacht gebessert hatte. Sie frühstückten mit gutem Appetit. Wahrscheinlich wäre er ihnen vergangen, wenn sie gewußt hätten, daß die Nachricht nach Coburg bereits auf dem Draht war. Ihre Augen wanderten munter im Zimmer umher und begrüßten jedes Möbelstück wie einen alten Bekannten. Nur wenn ihre Blicke auf den neuen Ring an Lutz' Hand stießen, verdüsterten sich ihre Gesichter. Lutz tat, als bemerke er es nicht.
    »Ja, Kinder«, sagte er schließlich bei der ersten Morgenzigarette, »die Geschichte mit dem zerbrochenen Waschbecken ist natürlich eine böse Geschichte, aber so schlimm finde ich sie nun wiederum auch nicht, daß ihr deswegen gleich ausgerissen seid. Den Kopf konnte es euch doch nicht kosten, wie? Und nun überlegt euch doch einmal, in was für Sorgen ihr die Tante Ulrike und den guten Onkel Friedrich zurückgelassen habt.« Er wollte diplomatisch auf das gestern eingetroffene Telegramm und seine Antwort darauf überleiten.
    »Die?! — O mei', die freut sich doch nur, daß sie uns endlich los ist!« versicherte ihm Traudl eifrig.
    »Wo sie jeden Tag gesagt hat, daß sie sich wegen unserer noch eines Tages ertränken tut!«
    »Ach Unsinn! Das sagt man so hin«, murmelte er.
    »Die hat das nicht nur so hingesagt!«
    »Ihr übertreibt«, sagte er schwach.
    »Ha, übertreiben?!« entgegnete ihm Traudl fast höhnisch. »Stocknarrisch ist sie geworden, wenn nur ein Kratzer an der Tür war, oder ein Wassertröpferl auf dem Linoleum, oder ein Marmeladenpatzerl im Tischtuch.«
    »Immer Überdruck aufm Kessel«, seufzte Rudi, »immer Überdruck!«
    Lutz grinste flüchtig.
    »Und dauernd haben sie sich zerstritten wegen uns, der Onkel und die Tante. Er hat mit ihr gebrüllt, und sie ist wie eine Furche auf ihn losgefahren.«
    »Wie was?«
    »Wie eine Furche, hat der Onkel gesagt. Und nachher, wenn er weg war, dann haben wir es auszufressen gehabt, den Rochus, den wo sie auf uns gehabt hat. — Wir hetzen ihr den Onkel auf, hat sie gesagt! Und wir haben ihr den Unfrieden ins Haus gebracht, hat sie gesagt, wo es früher zwischen ihr und ihrem Friedrich überhaupt nie was nicht gegeben hat und ein ruhiges Heim gewesen ist!«
    Es war eine verblüffende Kopie in Stimme und Ausdruck, die Traudl Lutz von ihrer Tante Ulrike lieferte. Und er mußte die Zähne zusammenbeißen, um nicht zu lachen, obwohl ihm durchaus nicht fröhlich zumute war. Hinter dem Bericht der Kinder steckte ihre verzweifelte Angst, wieder in jenes Haus zurückkehren zu müssen. Und Lutz ahnte, daß die Tage, die sie dort verlebt hatten, alles andere als heiter gewesen

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