Vater sein dagegen sehr
haben.« Er umfing das Zimmer noch einmal mit einem streichelnden Blick und sagte: »Wirkchlich gmütlikch — wirkchlich sehr hübsch!«
Lutz holte die Kirschwasserflasche aus dem Schrank und goß Rogatti und sich einen ein: »Also dann Prosit, Herr Rogatti!« Und er hob sein Glas auch gegen Margot. —
Die beiden Osterfeiertage, für die er den Turm absperrte und in das Sonnemannsche Hotel zum Adler übersiedelte, verliefen angenehmer, als er es befürchtet hatte. Er war leichtsinnig gewesen und hatte einen Teil seines Reichtums dazu verwandt, Margot ein hübsches und wertvolles Rosenthaler Service als Osterpräsent zu überreichen. Fast noch mehr aber freute sie sich darüber, daß er daran gedacht hatte, die goldenen Ringe zu besorgen. Es wurde keine offizielle Verlobung gefeiert. Die Familie tat so und sie selber taten auch so, als trügen sie die Ringe schon seit Monaten. Margot beschenkte ihn mit einer kompletten Ausgabe der Werke von Theodor Fontane, der zu seinen Lieblingsdichtem gehörte.
Daß er Margots Mutter willkommen war, wußte Lutz. Aber auch der Vater Sonnemann begegnete ihm mit ungezwungener Freundlichkeit. Er kannte das harte Köpfchen seiner Tochter und sagte sich offenbar, daß es zwecklos sei, gegen ihre Entschlüsse zu opponieren. Außerdem aber schien ihn das üppige Ostergeschenk — und von Porzellan verstand er schließlich etwas! — in der Annahme zu bestärken, daß es um die finanziellen Verhältnisse seines zukünftigen Schwiegersohns so übel nicht bestellt sein könne. Margots Schwester Ellen, die einen Hotelier in Koblenz geheiratet hatte, war mit ihren beiden Kindern zu Besuch bei den Eltern. In der Behandlung von Kindern hatte Lutz ja eine gewisse Übung bekommen, und so fiel es ihm nicht schwer, in den Kindern begeisterte Anhänger zu gewinnen. Auch das trug zur Hebung seines Ansehens in der Familie bei. Und als die Feiertage um waren, gestand ihm Margot — und mit ihrem Geständnis verriet sie ihm, daß auch sie dieser Begegnung mit gewissen Besorgnissen entgegengeblickt hatte —, daß er im Hause Sonnemann einen fabelhaften Eindruck gemacht habe.
Zwei Tage lang hatte er mit kurzen Unterbrechungen eigentlich nichts anderes getan, als schwere Speisen mit noch schwereren Bocksbeuteln hinunterzuspülen. Noch einen Tag später, als er wieder in seinem stillen Turmgemach saß, fühlte er sich wie eine Anakonda, die ein ganzes zentnerschweres Wasserschwein verschluckt hatte. Er war zu träge, um an den unterbrochenen Roman heranzugehen, und außerdem war er ein wenig festgefahren und wartete auf einen neuen Aufschwung. Die Pause konnte er gar nicht besser ausfüllen, als in seinem Fontane zu schmökern. Dabei entdeckte er im »Stechlin« eine Stelle, die ihm bei früheren Lektüren des Romans entgangen oder nicht besonders aufgefallen war. Es handelte sich dabei um die beiläufige Erwähnung jener unglücklichen Polarexpedition des Amerikaners Greely, der gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts den Nordpol gewissermaßen mit Waffengewalt erobern wollte. Greely, ein höherer Offizier der nordamerikanischen Armee, war faktisch mit einer Kompanie Soldaten gegen den Nordpol marschiert und hatte das Ziel, das sich bis dahin allen Vorgängern versagt hatte, mit militärischer Disziplin erzwingen wollen. — Was für ein toller Gedanke! Welche Absurdität! Und — was für ein unerhörter Stoff!
Lutz war fasziniert. Seine Trägheit verflog im Handumdrehen. Er konnte den kommenden Tag kaum erwarten, um in der Staatsbibliothek mehr Material über diese ungeheuerliche Expedition und ihr schauerliches Scheitern in den Eiswüsten Westgrönlands zu finden. Ein paar Tage lang trug er das Material aus allen möglichen Quellen zusammen. Es floß nicht allzu reichlich, aber es genügte, um seine Phantasie anzufeuern und sie gleichzeitig mit genug realen Gewichten zu belasten, um ihn in Bodennähe zu halten.
Vierzehn Tage später setzte er in dem glücklichen Gefühl, eine gute Arbeit geleistet zu haben, den Schlußstrich unter das Manuskript, das fast auf hundert Seiten angeschwollen war. Er nannte es »Parademarsch zum Nordpol«, aber Titel zu erfinden war nie seine starke Seite gewesen, mochte sich ein anderer darüber den Kopf zerbrechen. Immerhin trug der Schwung des »Parademarsches« ihn auch im Roman über die Klippe hinweg, vor der er vor zwei Wochen gestockt hatte.
Die Rolle der Kinder hatte der Spitz Bello übernommen. Wenn er morgens vor dem Bett winselte und Lutz mit der Nase
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