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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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weniger unnahbar. Sie wirkte auf einmal so damenhaft. Aber vielleicht war diese Wirkung beabsichtigt. — Sicherlich! Was tut eine Frau schon ohne tieferen Grund, wenn es sich um ihre Kleidung handelt!
    »Reizend von Ihnen, daß Sie gekommen sind!«
    »Da ist der Lehrplan!« Sie übergab ihm schon an der Tür einen Bogen im Quartformat, auf dem die einzelnen Lehrfächer wie auf einem Stundenplan eingezeichnet waren.
    »Und wie geht es dem Rudi?«
    »Danke — vorläufig ist der Gipsverband noch eine interessante Neuerwerbung. Ich fürchte nur, daß das Interesse nicht lange Vorhalten wird.«
    Er ging voran und öffnete die Tür zu seinem Zimmer.
    »Bitte, treten Sie ein.«
    Innen knickste Traudl und reichte Fräulein Leinegger die Hand: »Grüß Gott, Fräulein Leinegger«, deklamierte sie, »bitte treten Sie ein, mein Onkel Lutz erwartet Sie.«
    Hinter Fräulein Leineggers Rücken machte Lutz ihr verzweifeite Zeichen, den Mund zu halten. Lieber Gott, diese Anspräche war doch für eine andere Gelegenheit berechnet! Fräulein Leinegger schaute sich etwas fassungslos und verwirrt nach ihm um.
    »Haha — wissen Sie«, stammelte er, »wir hatten ein wenig Empfang geübt — wegen der guten Manieren, wissen Sie.«
    Er sah, daß Fräulein Leinegger sich belustigt auf die Lippen biß.
    »Und wo ist unser Patient?« fragte sie.
    »Hier, Fräulein!« schrie der Rudi.
    Lutz faltete die Hände. Sie blamierten ihn, wo es nur möglich war!
    »Er lernt es schon noch«, sagte Fräulein Leinegger tröstend und ging zum Rudi hinüber. Der Stuhl neben seinem Bett war frisch abgestaubt, trotzdem wedelte Lutz noch einmal mit dem Taschentuch darüber hinweg, bevor Fräulein Leinegger sich setzte.
    »Wissen Sie, er hat gerade Buntstifte angespitzt«, murmelte er, »und es ist immerhin ein weißes Kleid.«
    Fräulein Leinegger hielt Rudis Hand und tätschelte sie: »Na, Rudi, dir geht es gut, wie? Jetzt denkst du, du bist die Schule für ein paar Wochen los, gelt? Gib es nur ruhig zu.«
    »Hm hm«, gestand der Rudi grinsend.
    »Ja, mein Lieber, aber wenn du dann wieder in die Schule kommst, dann werden die anderen Kinder sagen: Jöh, ist der Luedecke Rudi dumm! Noch dümmer als der Leitner Max und der Beilmeier Franz! Und dann stehst du sauber da!«
    Der Rudi zog den Kopf ein. Der Gedanke, so blöd zu sein wie der Beilmeier Franzi schien ihm doch recht zuwider zu sein.
    »Na siehst du, Rudi, ich hab mir doch gleich gedacht, daß dir das nicht passen würde. Und deshalb haben wir gemeint, dein Onkel und ich, daß dir der Beck Emil oder der Silcher Paul jeden Tag ihre Hefte mitbringen und dir zeigen, was wir in der Schule durchgenommen haben, und dir auch sagen, was für Hausaufgaben es gibt.«
    »Dann schon lieber der Beilhack Peter«, schlug der Rudi vor. Im Prinzip schien er gegen diese unvorhergesehene Aufdringlichkeit der Schule, ihn bis auf sein Krankenlager zu verfolgen, nichts einzuwenden zu haben. In diesem Augenblick rief Traudl, daß das Kaffeewasser koche.
    »Jetzt hoffe ich nur, daß ich mich mit meinem berühmten Kaffee vor Ihnen nicht blamiere.«
    »Oh«, sagte sie leicht verlegen, »ich habe aber wirklich nur ein paar Minuten Zeit, und eigentlich müßte ich schon gehen.«
    »Nein! Das dürfen Sie den Kindern nicht antun! Schauen Sie, Traudl hat sich solche Mühe mit dem Kaffeetisch gegeben!«
    Traudl sah ihn mit einem langen Blick an.
    »Also gut«, sagte Fräulein Leinegger schließlich, »ich nehme Ihre Einladung an, aber nur für eine Tasse und nur für eine kleine Viertelstunde.«
    »Da hast aber sauber zuviel Kaffee gemahlen, Onkel Lutz!« sagte Traudl, die den Filter inzwischen vorbereitet hatte. Der Duft des gemahlenen Kaffees zog sich durchs Zimmer. Lutz füllte ihn in den Porzellantrichter und schüttete vorsichtig das kochende Wasser darüber.
    »Kann ich Ihnen helfen?« fragte Fräulein Leinegger.
    »Nein, danke — aber wenn Sie so freundlich sein wollen, den Kindern je ein Stück Kuchen und einen Löffel Schlagrahm auf die Teller zu legen.«
    »Und ich möcht meinen Kaffee beim Rudi trinken, damit er nicht so allein ist«, sagte Traudl. Lutz warf ihr einen fast dankbaren Blick zu.
    »Gut, Traudl, und laßt es euch gut schmecken.«
    Er schüttete ein wenig Kaffee und viel Milch in die Kindertassen und überließ es Traudl, den Kaffee und die Kuchenteller ins Kinderzimmer hinüberzutragen. Inzwischen stellte er die Kanne auf den Tisch, schenkte Fräulein Leinegger und sich selber ein und nahm an der Schmalseite

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