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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Lutz!« Sie knickste vor lauter Eifer, alles wiedergutzumachen.
    Lutz blieb allein. Er warf einen prüfenden Blick in den Spiegel, zog die Krawatte an und zupfte sich ein Haar aus der Nase. Braun sehe ich besser aus, dachte er; ich müßte im Winter alle Tage einmal unter die Höhensonne gehen. Braun sehe ich wirklich gut aus, ja. Weshalb ich eigentlich eine Krawatte umgebunden habe? Wann trage ich jemals daheim einen Schlips? Herunter damit! Sonst fragt sie mich womöglich noch, weshalb ich mich für den Empfang nicht in einen Smoking geworfen habe. So, und jetzt noch den obersten Knopf vom Hemd öffnen, das sieht doch gleich viel ungezwungener aus — und steht mir auch bedeutend besser.
    Auf dem Bücherbord stand eine große, zartgrün glasierte Keramikvase mit roten Gladiolen. Er stellte sie auf den Tisch und betrachtete prüfend sein Arrangement. Nein, zu pompös! Zu absichtsvoll! Blumen auf den Weg gestreut und des Harms vergessen. — Auf dem Fenstersims zwischen den dicken Mauer'n machten sich die Blumen viel besser. Ja, so standen sie richtig, als schaue der Hochsommer durchs Fenster.
    »Rudi, he!« er steckte den Kopf ins Kinderzimmer, wo der
    Bub seine Buntstifte spitzte, »weißt du eigentlich zufällig, wie dein Fräulein Leinegger mit Vornamen heißt?«
    »Hilde hoaßts — heißt sie«, antwortete der Bub, ohne sich in seiner Beschäftigung stören zu lassen.
    Hilde... Hilde... Hilde... Hilde Leinegger, hm, paßt gut zusammen und paßt auch gut zu ihr. Darauf hätte man eigentlieh von selber kommen müssen, daß sie nur Hilde heißen kann. Hilde, das klingt blond, und ein wenig zurückhaltend, aber nicht kühl; es klingt heiter und vertrauenerweckend, es ist eine Name, den man nicht verniedlichen kann; Hilde kann man sozusagen von der Wiege bis zur Bahre heißen, ja.
    Lutz füllte die Kaffeemühle und klemmte sie zwischen die Knie. Auf seiner Stirn stand über der Nasenwurzel eine tief eingekerbte Denkfalte. Ich fürchte, mein Junge, sagte er sich, du erwartest dir jetzt vom Schicksal einen kleinen Trost fürs Herz; aber du weißt doch ganz genau, daß das alles unfruchtbare Spekulationen sind und daß es völlig gleich ist, ob dieses Fräulein Leinegger nun Hilde oder Kunigunde heißt. Selbst wenn du eitel genug bist, dir einzubilden, du wärst ihr nicht unsympathisch, dann bleibt die Geschichte doch hoffnungslos und erledigt sich schon im Keim von selbst. Dieses Mädchen ist kein Mädchen für Flirts und für Tandaradei, und sie ist kein Mädchen, mit dem man so nebenbei einmal einen Mondscheinspaziergang macht. Auch sind ihre Brüder tatsächlich für dich einen Kopf zu groß.
    Traudl balancierte einen in Seidenpapier eingehüllten Pappteller auf der rechten Hand, und in der linken trug sie eine Schüssel mit Schlagrahm.
    »Der Herr Zerrgiebl läßt sagen, daß du den Rahm selber auf den Kuchen tun möchtest, sonst bleibt die Hälfte am Papier kleben — und die Schüssel soll ich ihm zurückbringen.« Ihr ängstliches Bemühen um ein einwandfreies Hochdeutsch stimmte Lutz milde.
    »Schon gut, Traudl, du kannst jetzt das Kaffeewasser aufsetzen. Es ist zehn vor drei — und ich hoffe, daß eure Lehrer pünktlich sind.« Er ging noch einmal zur letzten Inspektion ins Kinderzimmer. Natürlich war das Bett wieder voller Bleistiftspäne und Farbmehl, und die Hände vom Rudi sahen aus, als ob er Ostereier gefärbt hätte. Und der Gipsverband, der noch beim Einzug in den Turm blütenweiß gewesen war, war so dreckig, als ob der Bub mitsamt dem Gipsbein durch den Kamin gezogen worden wäre.
    Kurz nach drei läutete es. Lutz war gerade dabei, Traudl eine neue Schürze umzubinden. Er zog die Masche mit einem Ruck zu, der Traudl den Atem benahm: »Los, Kind, lauf schon, und mach einen schönen Knicks und sag: Grüß Gott, Fräulein Leinegger, bitte, treten Sie ein, mein Onkel erwartet Sie oben — oder nein, laß nur, ich geh doch lieber selber! — oder nein, geh du! Aber schnell! Wir können sie doch nicht eine halbe Stunde vor der Tür stehenlassen, weil du immer so trödeltst, Herrgott noch einmal!«
    Aber an der Tür holte er sie ein.
    »Nein, laß nur, ich geh doch selber!«
    »I moan, jetzt spinnt er ein wenig, der Herr Fentura!« sagte im Kinderzimmer der Rudi laut und deutlich. —
    Fräulein Leinegger trug ein weißes Pikeekleid, das bis zum Halse hinauf streng geschlossen war. Im blauen Kleid mit den weißen Tupfen und dem großen Ausschnitt sah sie eigentlich noch hübscher aus, oder zum mindesten

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