Vater sein dagegen sehr
Fräulein Leinegger ein. Sie stammte aus Hallfeld und hatte hier ihr Leben zugebracht, und sicherlich kannte sie irgendeinen Menschen, dem man den Turm und die Kinder für ein paar Tage anvertrauen konnte. Er zögerte nicht lange, sondern läutete sie vom nächsten Laden aus in der Schule an. Es dauerte eine Weile, bis sie an den Apparat geholt wurde.
»Hier ist Ventura — Lutz Ventura!«
»Hören Sie«, kam ihre Stimme, und sie klang ziemlich abweisend und kühl, »ich bin im Dienst!«
»Gott sei Dank«, rief er, »sonst hätte ich wahrhaftig nicht gewußt, wie ich Sie erreichen soll. Ich muß Sie nämlich in einer dringenden Angelegenheit sprechen — ja, in einer Sache, die für mich von sehr entscheidender Bedeutung ist.«
Er lauschte in den Apparat. Nichts rührte sich.
»Hallo«, rief er, »sind Sie noch da?«
Das Ja kam ein wenig zögernd, und plötzlich ahnte er, auf was für merkwürdige Vermutungen sie gekommen sein mochte. Was er gesagt hatte, um die Dringlichkeit seines Anrufes zu rechtfertigen, klang wahrhaftig so, als wären es die Eröffnungszüge für einen Heiratsantrag.
»Oh«, rief er und machte die Sache mit dem Oh fast noch schlimmer, »hören Sie, Fräulein Leinegger, es handelt sich um folgendes: ich muß beruflich nach München, wegen einer Filmangelegenheit, die für mich außerordentlich wichtig ist. Aber nun ist die Geschichte mit dem Rudi passiert — aber auch, wenn sie nicht passiert wäre, verstehen Sie...«
»Ich verstehe«, sagte sie eisig höflich, »ich werde den Rudi heute nachmittag um drei aufsuchen und Ihnen den Lehrplan mitbringen, damit der Bub nicht allzuviel vom Unterricht versäumt.«
»Danke vielmals! Danke...«
»Nichts zu danken, ich tue damit nur meine Pflicht.«
Es knackte im Apparat, sie hatte abgehängt.
Lutz grinste. — Wahrscheinlich war sie zur Abnahme des Gesprächs in das Amtszimmer des Rektors geholt worden. Aber, zum Teufel, war er denn nicht mindestens ebensoviel wie der Vater vom Rudi? Und hatte man als Vater und Erziehungsberechtigter nicht das Recht, jederzeit mit einer Person vom Lehrkörper zu sprechen, wie? Das hatte gar nichts damit zu tun, daß dieser »Lehrkörper« so hübsch und anziehend war. Na also!
Er fegte, daheim angekommen, die Zimmer. Er fegte sogar Treppe und Vorplatz, was sonst nur an den hohen Feiertagen geschah, er rasierte sich erst kurz vor dem Mittagessen und begann schon um zwei den Kaffeetisch zu decken. Sein ungewohnlicher Tätigkeitsdrang fiel sogar den Kindern auf.
»Mei', du tust ja grad so«, sagte die Traudl spitz, »als ob die Fräulein Leinegger nicht dem Rudi seine Lehrerin ist, sondern als ob du selber bei ihr in die Schule gehst und vor ihr Schiß hast.«
»Drück dich gefälligst ein wenig manierlicher aus und wasch dir die Hände, sie strotzen mal wieder vor Dreck! Und kämm dich auch gefälligst. Immer hängen dir die Zotteln im Gesicht herum! — Und wenn du damit fertig bist, dann gehst du zum Zerrgiebl und holst sechs Stücke gedeckten Apfelkuchen — gedeckten! Hörst du! — und sechs Portionen Schlagrahm. Aber laß ihn dir gut einpacken und verdrück ihn nicht, daß er so aussieht, als ob jemand darauf gesessen hat, verstanden!«
Traudl ging zur Wasserleitung.
»Du brauchst mit dem Wasser nicht zu sparen, und mit der Seife auch nicht!« rief Lutz ihr zu.
Die Traudl kicherte und tänzelte mit dem Handtuch in sichere Entfernung ab: »Ich mein allweil, wenn's der alte Lehrer Haberstock mit seinen greißlichen gelben Zähnen war, der wo den Rudi unterrichten tät, und nicht die Fräulein Leinegger, dann tätest du heute nicht so viel Gesums machen mit Apfelkuchen und Schlagrahm, ha?«
Lutz lief rot an. Einen Augenblick lang sah die Situation für Traudl einigermaßen gefährlich aus.
»Ich wollt ja nur an Spaß machen«, stammelte sie.
Lutz kniff die Augen zu. Es wurde bedrohlich, wenn er die Augen zukniff und sich so sanft heranschob wie eine langsam anfahrende Lokomotive.
»Wirklich, Onkel Lutz«, bettelte Traudl, und die Tränen stiegen ihr in die Augen, »ich hab mir nix dabei gedacht — ich hab halt nur so blöd dahergeredet.«
»Also bremse in Zukunft deinen vorlauten Schnabel, mein Herzchen«, sagte Lutz grollend, »und jetzt schwing dich und hol die Kuchen! Und wenn Fräulein Leinegger nachher kommt, dann verschwindest du, wenn du deinen Kaffee getrunken und deinen Kuchen gegessen hast, und spielst mit dem Rudi. Und ich möchte von euch nichts hören, verstanden!«
»Ja, Onkel
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