Vater sein dagegen sehr
werden, wenn die Schwellung merklich zurückgegangen war. Der Arzt hatte starke Sehnen- und Bänderzerrungen festgestellt, die die Heilung fast noch langwieriger machten, als wenn es sich um einen Bruch gehandelt hätte. Er empfahl Lutz, den Buben vorerst einmal bis zur Anlage des Gipsverbandes drei oder vier Tage im Krankenhaus zu lassen und ihn nach dieser Zeit erst heimzutransportieren.
»Nun sag bloß, Rudi, wie hast du das mal wieder fertiggekriegt?« fragte Lutz, nachdem er sich den Schaden angesehen hatte.
»Mei', ich hab halt mit dem Beilmeier Franzi an Ringkampf gemacht — im freien Stil, weißt? Und da hat der Franzi gesagt, ich soll mich aufn Bauch legen, und dann wird er mir zeigen, wie man einen mit dem Nelson aufn Rücken herumkriegt. Aber mit dem Nelson hat er mich nicht 'rumgekriegt. Und da hat er gesagt, jetzt macht er den Zehengriff, der wo im freien Stil erlaubt ist. Und dann hat er mich beim Haxn gepackt und hat mir den Haxn ganz schnell nach hinten umgedreht. Und dann hat's unten einen Kracher getan, und es hat sakrisch gestochen, und wie ich mich umgedreht hab und nach meinem Haxn geschaut hab, was mit ihm los ist, da hat der Vorderfuß pfeigrad nach hinten gestanden und ich hab mich speiben müssen, und dann weiß ich nix mehr, weil mir ganz damisch geworden ist.«
Eine Schwester brachte die noch feuchte Röntgenaufnahme ins Ordinationszimmer.
»Nun, Schwester«, fragte der Chefarzt, »was sagt der Kollege?«
»Kein Bruch festzustellen, Herr Doktor.«
Der Arzt trat mit der Aufnahme vors Fenster und schüttelte den Kopf.
»Respekt vorm Beilmeier Franzi! Das scheint ja ein ganz Starker zu sein. Du kannst von Glück sagen, daß er dir den Haxn nicht ratzeputze abgerissen hat.«
»O mei', der Beilmeier Franzi, der kann leicht stark sein! Der Herr Oberlehrer Griesbeck hat gesagt, Franzi, hat er gesagt, wenn du so gescheit wärst, wie du lang bist, nachher wär alles gut. Der Franzi ist doch schon über zehn! Und in der zweiten Klass' sitzt er schon drei Jahre!«
»Tcha«, murmelte der Arzt und blinzelte Lutz zu, »der liebe Gott hat die Gaben ungleich verteilt, und nicht immer wohnt in einem gesunden Körper auch ein überragender Geist.«
Lutz fiel sein Suppentopf ein, der daheim auf dem Feuer stand. »So, Rudi«, sagte er und verabschiedete sich von dem Buben, »ich muß jetzt gehen. Und wenn dein Bein nicht mehr ganz so dick ist wie heute, dann wird es eingegipst, und ich hole dich ab. Und wenn du dich anständig beträgst und nicht gleich schreist, wenn es mal ein bissel weh tut, dann komme ich jeden Tag zu dir auf Besuch und bring dir auch was Schönes mit, Eis oder Zitronenwaffeln, ja?«
»Ja, Onkel Lutz, und sag auch der Traudl, daß sie kommen soll, damit's hier herin nicht so stinkfad ist, gell?«
D R E I Z E H N T E S K A P I T E L
Am dritten Tage nach dem verhängnisvollen Freistilringkampf brachte das Sanitätsauto den Rudi in den Turm zurück. Sein Bein war bis zum Knie herauf eingegipst, aber sonst war der Rudi recht munter. Er wurde ins Bett gesteckt und fand das verstellbare Brett, eine Eigenkonstruktion, die Lutz in der Zwischenzeit am Bett angebracht hatte, so daß der Bub darauf essen und spielen konnte, einfach pfundig. Ein Metallbaukästen, eine neue Schachtel mit Buntstiften und ein paar Malbücher lagen darauf, um ihm die Zeit zu vertreiben. Vorläufig fühlte er sich in seiner Krankenrolle noch ziemlich interessant und sah sie als eine angenehme Verlängerung der Ferien an, aber es lagen, wenn alles gut ging, fünf Wochen in Gips vor ihm.
Am gleichen Tage, an dem Rudi im Turm einzog, erhielt Lutz aus München einen Eilbrief mit der Aufforderung, so bald wie möglich in Geiselgasteig vorzusprechen und die Arbeit am Treatment aufzunehmen. Es lag der Filmgesellschaft daran, Lutz schon vor der Abfassung des Treatments mit einem erfahrenen Drehbuchautor zusammenzubringen, so daß schon im Rohentwurf die besonderen Erfordernisse des Films gegenüber der epischen Darstellung des Stoffes berücksichtigt wurden.
Dieser verdammte Ringkampf mit Nelson und Zehengriff hatte genau zum falschen Zeitpunkt stattgefunden!
Aber selbst, wenn diese dumme Geschichte nicht passiert wäre, konnte Lutz doch die beiden Kinder nicht einfach sich selbst überlassen. Andererseits aber würde er in Geiselgasteig vermutlich auf wenig Verständnis stoßen, wenn er ein Telegramm absandte: Rudi Bein verrenkt. Kommen leider im Augenblick nicht möglich. —
In dieser Klemme fiel ihm
Weitere Kostenlose Bücher