Vater sein dagegen sehr
des Tisches Platz, so daß er Fräulein Leinegger im Halbprofil vor sich hatte. Er legte ihr auch den Apfelkuchen auf und reichte ihr die Rahmschüssel hinüber. »Der Apfelkuchen ist leider kein eigenes Erzeugnis. Wir haben es ein paarmal mit dem Kuchenbacken versucht, aber entweder hatten wir das Backpulver vergessen, oder er kam als Kohle aus dem Rohr.«
Fräulein Leinegger hob die Tasse an die Lippen und kostete. »Ihr Kaffee kann sich wirklich sehen lassen!«
»Das freut mich.«
Sie verteilte ihren Schlagrahm sorgfältig mit dem Teelöffel über den Apfelkuchen. »Hm, trotzdem wäre ich Ihnen dankbar, Herr Ventura, wenn Sie mich in der Schule nicht mehr anrufen würden. Erstens einmal muß ich meine Klasse sich selbst überlassen — und zweitens steht der Apparat im Amtszimmer des Schulleiters. Er ist ein netter alter Herr, gewiß, aber trotzdem glaube ich, daß er für solche privaten Gespräche in den Dienststunden nicht viel Verständnis hat. — Wir haben für die Eltern der Kinder nämlich Sprechstunden eingerichtet, Dienstag und Freitag von zehn bis zwölf.«
»Sie glauben doch hoffentlich nicht«, rief Lutz ein wenig bestürzt, »mein Anruf hätte keinen anderen Zweck gehabt, als diese Kaffeestunde zu arrangieren!«
Fräulein Leinegger schwieg und rührte ihren Kaffee um, und ihr Schweigen sprach sehr deutlich dafür, daß sie von dieser Ansicht tatsächlich nicht sehr weit entfernt zu sein schien. Lutz sprang auf und fischte einen Brief von seinem Schreibtisch; der Briefkopf trug als Signet in erhabener Prägung eine tragische Maske und darunter den Namen einer bekannten Filmgesellschaft.
»Bitte, lesen Sie! Und vielleicht glauben Sie mir dann, daß ich mir keinen anderen Rat wußte, als Sie anzuläuten. Wir haben heute nämlich erst Mittwoch, und Sie werden begreifen, daß ich nicht bis zur Sprechstunde am Freitag warten konnte!«
Fräulein Leinegger überflog die Zeilen. Als sie wieder aufschaute, war in ihrem Blick unverkennbar ein respektvoller Ausdruck, der Lutz tief befriedigte.
»Oh, ich habe gar nicht gewußt, daß Sie ein so bekannter und erfolgreicher Mann sind!«
»Völlig unbekannt und auf der untersten Sprosse der Erfolgsleiter!« sagte er in schöner und edler Bescheidenheit. »Es ist der nackte Stoff, der die Filmleute interessiert, und nicht etwa meine >geniale< Darstellung. Und für den Stoff kann ich nichts, er ist nämlich historisch.«
»Greely — Greely?« Sie kramte angestrengt in ihrem Gedächtnis und gestand schließlich, den Namen noch nie gehört zu haben.
»Ein amerikanischer Offizier, der den Ehrgeiz hatte, den Nordpol mit einer Kompanie Soldaten und mit militärischer Disziplin zu erobern. Das Ende war, daß Greely sich gezwungen sah, einen Teil seiner Mannschaft persönlich zu erschießen, als die Disziplin zum Teufel ging und die Leute anfingen, sich gegenseitig aufzufressen. Ein paar Überlebende der Expedition, darunter Greely selber, wurden halberfroren und halbverhungert schließlich gefunden und gerettet. Die Geschichte endete mit einem Prozeß, in dem Greely freigesprochen wurde.«
»Ein antimilitaristischer Stoff?«
»Nein, und darauf kam es mir auch gar nicht an. Mich interessierte dieses historische Ereignis mehr deshalb, weil es die Fragwürdigkeit eines Unternehmens erweist, hinter dem keine höheren Ziele stehen als der Ehrgeiz, einen imaginären mathematischen Punkt zu erreichen, und bei dem der Kitt der menschlichen Bindungen eben nicht mehr war als bloße Disziplin. Der Stoff ist hintergründig und eröffnet sehr interessante Perspektiven, die zum Nachdenken anregen.«
»Das Buch müssen Sie mir geben!«
»Es ist noch kein Buch, es soll erst eins werden. Aber ich kann Ihnen, wenn Sie es wünschen, die Exemplare der Zeitschrift geben, in der meine Arbeit als Vorabdruck erschienen
ist.«
»Ich bitte darum. — Und diese Geschichte soll nun verfilmt werden?«
Er schenkte ihr die zweite Tasse Kaffee ein und reichte ihr die Zuckerdose hinüber. Sie bediente sich mechanisch, während sie auf seine Antwort wartete. Sie war angeregt und gespannt. Ihr zartgebräuntes Gesicht erschien um eine Schattierung dunkler, als hätte sich ein winziger Blutstropfen rasch unter der straffen und sehr glatten Haut verteilt.
»Ja, der Stoff soll verfilmt werden, und ich soll einen filmgeeigneten Entwurf schreiben. Leider habe ich keine Filmerfahrungen, und aus diesem Grunde soll mich ein alter Filmhase dabei unterstützen. Es ist eine große Chance für
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