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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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konnte. Er ging zur Tür und schaltete auch das Deckenlicht an, hundert Kerzen; es sprang auf und füllte alle Ecken und warf eine Lichtbahn ins Treppenhaus hinein. Ein Mann trat in den Türrahmen. Auf dem Hutrand blitzten Wassertropfen. Der Hut verschattete das Gesicht. Der Fremde zog ihn ab und staubte das Wasser über die Treppe. Graues, dichtes Haar, ein fahles, ungesund und aufgeschwemmt wirkendes Gesicht — Lutz starrte ein Gespenst an.
    Der andere nickte: »Ja, ich bin es.«
    »Hermann!« stieß Lutz hervor. »Mensch, du?! Oder dein Geist.« Er trat auf seinen Schwager Hermann Luedecke zu und griff nach seiner Hand, weichen Fingern, in denen jeder Druck Spuren hinterließ wie in Brotteig. Die Kinder starrten den Fremden, von dem sie noch nicht ahnten, daß er ihr Vater sei, neugierig an. Wie merkwürdig sich der Onkel Lutz dem fremden Mann gegenüber benahm!
    »Es ist ziemlich gespenstisch, Lutz — was hinter mir liegt und auch das, was ich hier erfahren habe.«
    »Du weißt alles?«
    »Ja — ich komme direkt aus Coburg, wo ich heute ein paar Stunden bei Roeckels war.« Er sprach stockend, und Lutz bemerkte große Zahnlücken hinter den schmalen Lippen. »Ja, ich bin durchgekommen. Und ich habe es durchgehalten. Sibirien — und die Lager — und die Zwangsarbeit — und das Bleibergwerk — und den Hunger — und den Flecktyphus. Und ich habe immer gewußt, du kommst durch und du kommst heraus — und Hertha lebt und wartet auf dich...«
    Lutz senkte das Gesicht. Etwas schnürte ihm die Kehle zu. Armer Hund, dachte er, armer Hund!
    »Die Kinder wenigstens...«, murmelte er und ließ die Hände sinken.
    »Ja, die Kinder...«, nickte Hermann Luedecke und hob den Blick über die Schulter von Lutz zum Tisch hinüber, wo sie sich aneinanderdrängten und der merkwürdigen und unverständlichen Szene lauschten, nagelkauend und die kleinen Köpfe schief über die emporgezogenen Schultern neigend.
    »Sei vorsichtig!« flüsterte Lutz seinem Schwager zu. »Du mußt sie dir langsam erobern, Hermann!«
    »Mein rechtes Ohr ist kaputt — aber ich habe dich trotzdem verstanden, Lutz —, und du hast recht, und so will ich es auch versuchen.«
    »Rein mit dir!« sagte Lutz herzlich und schloß die Tür hinter Luedecke. Er drehte sich um und würgte die Trockenheit im Halse herunter: »Und jetzt dürft ihr beiden kleinen Idioten einmal raten, wen euch der Wind hier hereingeweht hat, der Wind, das himmlische Kind!« Er grinste die Kinder an und spielte Weihnachtsmann.
    Sie zogen wie Schildkröten die Köpfe noch tiefer in die Schultern. Das Wort Coburg war gefallen, und es schien nicht darauf hinzudeuten, daß von diesem Gast gute Nachrichten zu erwarten seien.
    »Hat euch die Mutti Bilder von euerm Vater gezeigt?«
    »Freilich, da wo er Soldat war mit Orden.«
    Hermann Luedecke legte seinen Mantel ab, einen ziemlich schäbigen Mantel übrigens, graues Fischgrätenmuster, und viel Zellwolle, die Sitzfalten waren wie eingebügelt. Auch sein Anzug war minderwertig, wahrscheinlich war es die Garnitur, die in den Auffanglagern hinter der Zonengrenze an die Heimkehrer ausgehändigt wurde. Nun ja, man konnte schließlich keine Maßarbeit erwarten oder verlangen.
    »Na!« sagte Lutz und stieß mit der Faust durch die Luft. »Ihr ratet es tatsächlich nicht? Wo ihr von so intelligenten Eltern abstammt und einen so verdammt gescheiten Onkel wie mich habt?«
    »Mei', dees ist schwaar.«
    Lutz drehte sich halb um: »An den Dialekt wirst du dich noch gewöhnen müssen, mein Lieber. Zuerst war es reines, unverfälschtes Bayrisch. Inzwischen ist es eine schauerliche Mischung mit Fränkisch eingegangen. Ein Sprachbastard, eine Promenadenmischung wie der brave Bello, der dir sofort an die Hosen pinkeln wird, weil wir ihn seit Stunden nicht mehr Gassi gelassen haben.« Er öffnete die Tür und ließ den Hund hinausschlüpfen. »Mach ihm mal unten die Tür auf, Rudi!« — Der Bub, froh, der lästigen Rätselraterei auf gute Art entrinnen zu können, drückte sich an seinem Vater vorbei.
    »Also, Traudl«, sagte Lutz, »es ist euer Vater, der so lange in Gefangenschaft war und nun zurückgekommen ist. Er kennt dich komischerweise fast genausowenig, wie du ihn kennst. Denn als er dich das letztemal sah, da warst du drei oder vier Jahre alt, und der Rudi war noch gar nicht auf der Welt. Ihr müßt euch erst langsam anfreunden. — Aber jetzt kannst du ihm wenigstens einmal die Hand geben. Darauf wartet er nämlieh seit acht Jahren.«
    Hermann

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