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Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Fröhling
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sehr ungeordnet. Zwar hatte jede ihre Aufgabe, aber ab und zu passierte es auch, dass im alltäglichen Leben scheinbar unvermittelt die eine oder andere auftauchte. Statt Stefanie. Oder neben Stefanie. Und Stefanie beiseitedrückte. Dies geschah, wenn die Sehnsuchtnach Hilfe im Inneren so groß wurde, dass das Gefühl allein die Person nach vorne schleuderte, an allen anderen vorbei. Manchmal war es ein Mensch, manchmal nur ein Wort, ein Name, ein Geruch, der das verursachte. Es war etwas, das keine der kleinen Personen verstand. Aus ihrer Sicht geschah es unvorhersehbar, unkontrollierbar.
    Plötzlich stand Carola in der Küche neben der Mutter. Ihre Suche nach Hilfe hatte Carola nach »draußen« geworfen, als sie die Gegenwart der Mutter spürte. Mit dieser Frau hatte Carola zwar noch nichts zu tun gehabt, aber sie wusste, dass es die Mutter war. Sie mochte sie. Endlich war da eine Frau. Sie würde ihr helfen! Carola hatte das – biologische – Wissen, dass Mütter ihre Kinder schützen.
    Aber Carola hatte kein Wissen darüber, was Minuten zuvor geschehen war.
    Es hatte geklingelt. Die Mutter hatte sich die Schürze abgebunden, den Rock glatt gestrichen, die Tür geöffnet.
    »Ob ich wohl so unverschämt sein darf, mir drei Eier bei Ihnen zu leihen?«, fragte die Nachbarin. Es war Sonntagmorgen, ungeplanter Besuch hatte sich angekündigt.
    »Selbstverständlich«, lächelte Gisela Bahr und wurde ihrem Ruf als exzellente Hausfrau und freundliche Nachbarin wieder einmal gerecht, »selbstverständlich, bitte, kommen Sie doch herein, ich habe genügend.«
    Die Frauen gingen in die Küche.
    Neugierig schaute Stefanie um die Ecke, in einem blassroten Seidenkleidchen mit aufgestickten Blütenranken. Auf dem Kopf einen Kranz aus weißen und rosa Marmelblümchen. Heute war Hochzeit, und sie sollte Blumen streuen. Sie war sehr stolz. Sie sah entzückend aus.
    »Du siehst ja entzückend aus!«, rief die Nachbarin.
    »Ja«, sagte Gisela Bahr stolz und wandte sich, drei Eier in der Hand, zu ihr um, »sie soll heute Blumen streuen auf der Hochzeit meines Schwagers.«
    »Was für ein großes Mädchen du schon bist, dreh dich doch mal um«, forderte die Nachbarin sie auf.
    Stefanie drehte sich, dass ihr Röckchen flog. Sie strahlte.
    »Ja«, sagte die Mutter, »sie kann, wenn sie will. Heute ist sie mal ein richtiger kleiner Sonnenschein. Komm mal her, mein kleines Schätzchen«, fügte sie mit zuckersüßer Stimme an, blieb aber stocksteif stehen, die drei Eier in der Hand und zur Nachbarin gewandt.
    Stefanie zögerte. Lieber nicht näher kommen, die Mutter wollte das in Wirklichkeit gar nicht.
    »Willst du denn nicht zu deiner lieben Mami kommen, wenn sie dich ruft?«
    Gisela Bahr klang gereizt. Für die Nachbarin hatte ihre Tochter sich im Kreis gedreht wie ein dummes, albernes Zirkuspferd, aber für ihre eigene Mutter wollte sie nicht einen einzigen Schritt vorwärts machen.
    Stefanie stand starr an den Türpfosten gedrückt. Erst hatte sie gezögert, aber nun, wo die Stimme der Mutter sich in die Tonlage schraubte, die einer Ohrfeige vorausging, nun wollte sie wirklich nicht mehr.
    »So ist das also, na, du bist mir aber eine.« Und zur Nachbarin: »Nun schauen Sie sich das an. Eben noch Sonnenschein, und jetzt so bockig. Ich weiß wirklich nicht, was ich noch mit ihr anstellen soll. Da gibt man sich solche Mühe als Mutter, Tag und Nacht, und das ist der Dank.«
    »Lassen Sie sie doch.«
    Jetzt hält die auch noch zu ihr, dachte Gisela Bahr.
    »Willst nicht zu mir kommen? Dann bist du auch nicht mehr meine Tochter«, sagte sie in scharfem Ton zur Tochter, während sie die Eier der Nachbarin reichte.
    Diese letzte Warnung durfte sie nicht unbeachtet lassen, das wusste Stefanie genau. Sie stürzte auf die Mutter los, wollte lieb sein, aber sie prallte gegen die Hände der beiden Frauen, die Eier fielen herab, zwei zerbrachen auf Stefanies Kleid, eines auf dem Fußboden. »Ach du meine Güte«, sagte die Nachbarin.
    Gisela Bahr nahm sich mühsam zusammen, lächelte die Nachbarin an – eine Art tapferer Resignation im Blick –, brachte es sogar noch fertig, die verstörte Tochter anzulächeln und zu sagen: »Du bist mir aber wirklich eine große Hilfe«, holte drei weitere Eier aus der Speisekammer, brachte die Nachbarin zur Haustür, redete noch einige Minuten mit ihr, schloss die Tür ab und kam zurück in die Küche.
    Das würde was geben.
    Carola, die das Wort »Hilfe« deutlich gehört und verstanden hatte, rannte auf

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