Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
ihren Arm, steckte den Daumen in den Mund, hielt sich mit der anderen Hand am Gitter des Bettes fest und schlief ein.
Plötzlich erwachte sie wieder: Das Licht war an, und der Papi stand neben ihr. Sie freute sich und strahlte zu ihm hoch. Er beugte sich zu ihr herab, und sie legte beide Ärmchen um seinen Hals. Zärtlich hob er sie aus dem Bett, nahm sie auf den Arm, streichelte ihr sanft über die Wange und sagte, dass sie nun ihre versprochene Belohnung bekäme, weil sie so ein liebes Mädchen sei. Stefanie wusste zwar nicht, warum er ihr jetzt, mitten in der Nacht, auf einmal mitteilte, dass sie ein liebes Mädchen sei. Sie fand, dass sie eigentlich immer lieb war. Aber über ein Geschenk freute sie sich natürlich.
Der Vater setzte sie wieder ins Bett, dann schmunzelte er verschmitzt, bückte sich und zog ganz langsam etwas unter dem Bett vor und in die Höhe. Stefanie war wie gebannt. Schneller! Aber er hielt extra inne, um die Spannung zu erhöhen. Es machte ihm ebenso viel Spaß wie ihr. Schließlich sah sie es: ein rotes Kindertäschchen, das genau zu ihren neuen Schuhen passte.
So ein lieber Papi! Sie war ganz aufgeregt: Wie glatt die Tasche war und wie schön. Und innen hatte sie Fächer. Heute Nacht sollte die neue Tasche mit in ihrem Bett schlafen, bei Stefanie. Vater und Tochter lächelten sich an.
»Das verraten wir der Mami nicht«, sagte er, und Stefanie nickte eifrig und verschwörerisch.
Während er sie – und die Handtasche – sorgfältig zudeckte, musste sie dem Papa noch versprechen, nie, nie etwas Schlechtes über ihn zu sagen und immer zu ihm zu halten, immer sein gutes Mädchen, sein kleines Engelchen zu sein. Das fiel ihr natürlich sehr leicht, denn sie konnte sich nicht erinnern, dass der Papa jemals böse zu ihr gewesen war. Es war doch immer nur schön mit ihm.
Für Stefanie.
Carola aber wusste immer, dass es ganz schlimm wurde, wenn sie den Mann sah, der ihr Vater war. Sie war nie allein mit ihm. Immer waren andere Männer dabei.
Das war Carolas Aufgabe: da zu sein, wenn im Haus etwas mit dem Vater und anderen Männern passierte. Nicki war da, wenn der Vater allein zu ihr kam und ihr weh tat, Stefanie, wenn er lieb war, Susi, wenn ein Arzt nötig wurde. Vier Personen waren inzwischen entstanden, um Angela zu schützen, jede trug einen Teil der Last. Und keine wusste etwas von der anderen.
Stefanies Leben bot die angenehmsten Momente. Doch wirklich glücklich war es nicht, denn die Ablehnung der Mutter bekam auch sie zu spüren.
Carola aber erlebte die heftigsten Grausamkeiten. Damals. Sie war auch die Erste, die nach Auswegen suchte: Sie versteckte sich. So gut sich eine Dreijährige verstecken kann.
Im Schrank.
Das machte dem Vater besonderen Spaß. Es brachte einen neuen Akzent in sein Spiel. Natürlich wusste er immer, wo die Tochter war.
Ihr Zittern lässt die Kleiderbügel gegen die hölzerne Rückwand des Schrankes pochen. Die Schritte kommen näher. Näher. Sie verharren. Ein Schritt auf sie zu, wieder fort. Pause. Carola versucht, nicht zu atmen, sie ist sicher, dass er sogar ihren Atemhören kann. Er kommt zurück. Knarrend, langsam, Zentimeter für Zentimeter wird die Schranktür geöffnet. Eine Hand tastet sich durch hängende Hosen und Kleider hindurch. Da – er hat sie gefunden. Ein triumphierendes Grinsen zieht über sein Gesicht, während er die Tochter nach draußen zerrt: Er hat wieder gesiegt. Er ist der Meister.
Nachdem er seine Tochter ausgezogen hat, dürfen sich die mitgebrachten Männer bedienen. Der Vater sitzt still dabei. Er schaut. Aber er sieht eine ganz andere Szene.
Ein kleines Mädchen in einer Zinkwanne, nackt, mit weißen Seifenschaumtupfen auf ihrer samtenen Haut. Ein Zischen fährt durch den düsteren Raum. Ein langgezogener, gefährlicher Ton. Sie schaut in die Richtung, aus der das Geräusch kommt. Und lächelt. Sie lächelt im Dämmerlicht.
Da steht er auf und geht an den Schrank. Er holt einen Besenstil, tritt an das bewegungslos auf dem Bett liegende Kind heran, das kaum noch spürt, was jetzt geschieht.
»Damit du begreifst, dass du zu gehorchen hast«, sagt er. Und nun beginnt das Ritual der Bestrafung. Immer gleich. Dieselben Worte. Derselbe Besenstiel. Dann dasselbe Geräusch, mit dem er sich den Gürtel aus dem Hosenbund zieht. Und schließlich dasselbe peitschende Pfeifen, mit dem der Ledergürtel durch die Luft saust und auf ihre Haut klatscht.
Der schlimmste Verrat
Das System der Personen war zu diesem Zeitpunkt noch
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