Vater unser
einzige Mensch, der heute für Gerechtigkeit sorgen konnte. Sicherstellen, dass der Vater der kleinen Emma für seine Taten zur Verantwortung gezogen wurde. Sie war die Einzige, die dafür sorgen konnte, dass David Marquette nicht durch die Fugen eines gefühllosen Systems rutschte, das nur allzu gern über die Opfer hinwegsah, um zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung zu kommen. Sie hatte eine Aufgabe vor sich. Guck mal, Daddy!», schrie Emma wieder. Lat beugte sich vor und berührte ihre Schulter.
« Sie schaffen das, Julia», sagte er leise.
« Sie sind besser als Bellido, glauben Sie mir.» Julia nickte und holte tief Luft. Für dich, Emma. Dann erhob sie sich und bewies in den folgenden drei Stunden zur Überraschung aller Anwesenden, dass John Latarrino recht hatte.
KAPITEL 51
E R FUHR mit dem Finger langsam die roten Striemen entlang, dort, wo die Handschellen in seine Haut geschnitten hatten. Ein stechender Schmerz durchzuckte seinen rechten Arm bis hinauf zur Schulter, doch er ignorierte ihn. Völlig reglos saß er neben seinem Anwalt. Er verzog keine Miene. Er stellte sich vor, die Einschnitte seien auf dem Arm eines anderen, der Schmerz sei der eines anderen. Die Wachmänner schlossen die Handschellen bei ihm absichtlich fester, er hörte sie leise lachen, wenn sie sie zuschnappen ließen. Aber er hatte sich nie beschwert. Nicht ein einziges Mal. ... er zeigt einige Negativsymptome, es gibt jedoch keine speziellen Verhaltensauffälligkeiten wie beispielsweise Echopraxie .. . Sie nannten ihn
« Kindermörder» oder
« Todesarzt», spuckten in sein Essen und versuchten, ihn auf dem Weg zum Gericht zum Stolpern zu bringen.
... Einige der Symptome könnten zwar von den Medikamenten verursacht werden, die Dr. Marquette verabreicht bekommt, aber um Ihre Frage zu beantworten, Ms. Valenciano, ja, ich glaube, dass er nur simuliert... Was wohl geschehen würde, wenn er einmal nicht gefesselt wäre? Wenn er mit einem von ihnen allein wäre, ohne Schlagstöcke, ohne Funkgeräte, ohne Handschellen? Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sich Mr. Klimpermann in die Hosen machte. In der Gruppe fühlten sie sich sicher. Allein jedoch ... ...Es ist aber auch durchaus möglich, dass Dr. Marquette an etwas leidet, das man eine psychopathische Persönlichkeitsstörung nennt, ebenfalls bekannt als dissoziale Persönlichkeitsstörung ... Die anderen Häftlinge würden ihn wahrscheinlich ficken, wenn sie könnten. Sie kamen sich so groß und stark vor, doch ohne ihre Kumpane waren auch sie niemand mehr. Und sie unterschätzten ihn, was ihnen letztlich zum Verhängnis werden würde.
... die wahrscheinlich gefährlichste aller Geistesstörungen. Der Psychopath ist, in unterschiedlich starken Abstufungen, nicht in der Lage, Emotionen zu empfinden. Er ist wie eine leere Hülle, wie eine Maschine. Er kennt kein Mitgefühl, keine Liebe, kein schlechtes Gewissen. Nichts und niemand dringt zu ihm durch. Durch die genaue Beobachtung seines Umfeldes weiß er, welche emotionalen Reaktionen wann angebracht sind, und er hat gelernt, diese nachzuahmen. Er hat gelernt, bei Beerdigungen zu weinen, obwohl er keine Trauer empfindet, ganz egal, wer im Sarg liegt, und er hat gelernt, nach dem Sex
« Ich liebe dich» zu sagen, selbst wenn er zu dem Gefühl Liebe nicht fähig ist... Er hatte einige Schwerverbrecher dabei ertappt, wie sie in seine Richtung sahen, wenn sie glaubten, ihre Kumpel merkten es nicht. Nur ein kurzer Blick. Sie fragten sich bestimmt, was zum Teufel in seinem Kopf vorging. Es war eine Sache, jemanden zu töten, weil er einem Geld schuldete, oder seine Freundin umzubringen, weil sie einen betrogen hatte. Doch selbst bei den abgebrühtesten Typen gab es einen Verhaltenskodex, gewisse Regeln, an die sie sich hielten. Und wenn jemand außerhalb dieser Regeln agierte, wurde er unberechenbar und jagte ihnen Angst ein. Genau so sollte es sein. ... nehmen Sie zum Beispiel Ted Bundy. Gut aussehend, gebildet, Jurastudium an einer Eliteuniversität. Manche schätzen die Zahl der Frauen, die ihm zum Opfer gefallen sind, auf über einhundert. Es ist ein weitverbreitetes Vorurteil, dass Psychopathen anders aussehen oder sich anders verhalten als der ‹Normalbürger›. Die Wahrheit ist, dass wir jeden Tag auf Psychopathen treffen, ohne es zu merken, Ms. Valenciano. Sie können Bankangestellte sein, Vorstandsvorsitzende oder Basketballtrainer. Natürlich sind nicht alle Psychopathen Mörder, und nicht alle Mörder sind
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