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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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war, ließ er es sich nicht anmerken. Julia holte tief Luft und schloss die Augen.
« Cirto», sagte sie schließlich.
« C-I-R-T-O. Andrew Joseph. Geboren am 14. März 1972.» W AS WÜNSCHST du dir, Mary? Soll ich dir den Mond holen? Du brauchst es nur zu sagen, dann nehme ich ein Lasso und hol ihn dir vom Himmel herunter.» Es war drei Uhr früh. Julia saß auf der Couch und starrte auf den Fernseher. Ist das Leben nicht schön? mit James Stewart war der Lieblingsfilm ihrer Mutter. Sie hatten ihn jedes Jahr an Heiligabend zusammen angesehen. Nachdem alle anderen ins Bett gegangen waren, machten sie frisches Popcorn und kuschelten sich unter der pinkfarbenen Fleecedecke auf das Sofa. Ihre Mutter kannte den Film in-und auswendig und konnte jedes Wort mitsprechen. Das ist doch mal was anderes. Soll ich dir den Mond schenken, Mary?» An jenem letzten Weihnachtsfest war es nicht mehr dazu gekommen. Heiligabend hatte Julia bereits in ihrem neuen Zimmer bei Tante Nora und Onkel Jimmy in Great Kills verbracht, weit weg von ihrem Elternhaus in West Hempstead, weit entfernt von Carly und ihren anderen Freunden. Sie saß auf dem neuen Bett mit der neuen Bettdecke und den neuen Rüschenvorhängen und starrte aus dem Fenster, wo fröhliche Menschen vor dem neuen Nachbarhaus vorführen, mit Schüsseln und Weinflaschen, die Arme voller Weihnachtsgeschenke. Sie saß stundenlang im Dunkeln, ihr Körper taub und wie gelähmt, und beobachtete das Kommen und Gehen, während sie sich die kitschigen Dialoge aus dem Lieblingsfilm ihrer Mutter vorsagte, die in ihrem Kopf festsaßen wie eine böse Erinnerung. Und sie konnte den Film nicht einfach abstellen wie bei einem Fernseher, er lief weiter und weiter, bis zum Ende. Seitdem hasste sich Julia dafür, dass sie die zwei Stunden, die der Film dauerte, stets als selbstverständlich hingenommen hatte. Wenn sie die Zeit hätte zurückdrehen können, wenn sie noch einmal einen Moment mit ihrer Mutter hätte verbringen dürfen, wäre es dieser gewesen. Ist es nicht seltsam, wie jemandes Leben das so vieler anderer beeinflusst?», sagte Clarence, der Schutzengel zum erschütterten George Bailey.
Und wenn er nicht mehr da ist, entsteht ein abscheuliches Loch, nicht wahr?» Julia bewegte die Lippen zu Clarence’ Worten und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Plötzlich hatte sie wieder den Geruch der Fleecedecke in der Nase, den nach Flieder duftenden Weichspüler, den ihre Mutter immer benutzt hatte. Seitdem sie bei Tante Nora ausgezogen war, hatte sie jede nur erdenkliche Marke ausprobiert, aber die richtige bisher nicht gefunden ...

JULIA SASS allein am Tisch der Staatsanwaltschaft und schickte Stoßgebete gen Himmel. Richter Farley tippte ungeduldig mit dem Stift auf die Tischplatte, im Takt mit dem Sekundenzeiger der großen Uhr, die über den Türen des Gerichtssaales hing. Sie zeigte 9 Uhr 42. In dem vollbesetzten Saal herrschte eine beinahe unheimliche Stille.
« Ich denke, wir haben lange genug gewartet, Frau Staatsanwältin», brach Farley schließlich das Schweigen.
« Euer Ehren, nur noch ein paar Minuten. Ich bin sicher, dass Mr. Bellido gleich hier sein wird», erwiderte Julia und schaute nervös zu den Türen des Gerichtssaales, die sich in diesem Moment Öffneten, doch es war John Latarrino, der hereinkam, nicht Rick. Er schüttelte den Kopf.
« Ms. Valenciano», begann Farley mit einem Blick, der ihr nur allzu bekannt war und bedeutete ‹Ich werde Ihnen gleich die Hölle heißmachen›.
« Ich habe keine Zeit, um –»
« Bitte entschuldigen Sie, Euer Ehren», unterbrach Lat ihn, während er zu Julia an den Tisch trat.
« Ich müsste dringend mit der Staatsanwältin reden.» Der Richter seufzte laut, warf den Stift auf den Tisch, drehte sich mit seinem Stuhl herum und starrte die Wand an wie ein schmollender Zweijähriger.
« Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie wollen, Detective. Es ist ja nicht so, als würden wir hier auf den Beginn einer Anhörung warten.»
« Bitte sagen Sie mir, dass es nichts Schlimmes ist, Lat. Bitte!», flüsterte Julia schnell. Sie bemerkte, wie sich die Kameras auf sie richteten, und hoffte, dass ihr die Verzweiflung nicht zu deutlich ins Gesicht geschrieben stand. Lat sah sie an und schüttelte wieder den Kopf.
« Das kann ich leider nicht. Ich habe eben eine Nachricht von Rick bekommen. Auf dem Rückweg von Orlando hatte er einen Unfall. Nichts Schlimmes, aber er möchte, dass Sie einen neuen Termin für die Anhörung festlegen lassen.»
«

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