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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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Sonntag zum Essen kommen? Dieses Jahr gibt es Truthahn und natürlich eine Lasagne. Soll ich auch noch Panettone machen?»
« Wenn du möchtest.»
« Willst du mit uns über diesen Mann sprechen, mit dem du ausgehst? Ihr habt euch nicht etwa verlobt, oder? Zuerst will sich Jimmy nämlich mal mit ihm unterhalten», sagte Nora, während Julia ihr in die Küche folgte.
« Keine Angst, so weit ist es noch nicht.» Nora wandte sich um.
« Bist du schwanger?»
« Tante Nora!»
« Ich habe nur gefragt», entgegnete Nora lächelnd.
« Es wäre keine Schande, weißt du. Ich will nicht drängeln, aber du wirst nicht jünger, und ich hätte gern ein paar Enkel.» Sie machte das Licht in der Küche an.
« Komm, iss etwas. Und dann bin ich gespannt auf das Thema, das wichtig genug ist, um dich von deinen Verbrechern loszueisen.» Seit zwei Tagen drehten sich Julias Gedanken nur noch um dieses Gespräch. Sie hatte es wieder und wieder durchgespielt, hatte ihre Gedanken zu sorgfältig konstruierten Sätzen geformt wie bei einem Eröffnungsplädoyer. Doch irgendwo auf dem Weg zwischen dem Aufzug und der Wohnungstür hatte sie alles wieder vergessen. Sie wünschte, Onkel Jimmy wäre hier, um im Zweifelsfall die Wogen zu glätten, doch sie konnte nicht länger warten.
« Ich habe Nachforschungen angestellt», setzte sie an.
« Ich habe dich in den Nachrichten gesehen. Warum hast du mir nicht gesagt, dass du im Fernsehen bist? Wenn Debbie Casalli mich nicht angerufen hätte, hätte ich alles verpasst.» Nora wandte sich ab und wischte unsichtbare Krümel von der Arbeitsplatte. Julia hörte den warnenden Unterton in ihrer Stimme. Lass die Vergangenheit ruhen. Uns allen zuliebe. Julias Blick fiel auf ein Foto, das ihre Tante und ihre Mutter am Tag der Highschool-Abschlussfeier ihrer Mutter zeigte. Sie standen vor einem Festsaal in Bayridge, Brooklyn, und trugen beide weiße Lacklederstiefel und Minikleider mit psychedelischen Mustern. Zwei Jahre später hatte ihre Mutter ihren Vater kennengelernt.
« Ich habe darüber nachgedacht, was damals passiert ist», fuhr Julia fort und holte tief Luft.
« Was mit meiner Familie passiert ist.» Tante Nora sah sie einen Moment lang durchdringend an und ging dann zum Kühlschrank.
« Ich könnte dir ein Sandwich machen. Es sind auch noch Frikadellen von gestern Abend übrig. Und Grießbrei.»
« Ich habe ihn gefunden.» Nora stand vor dem offenen Kühlschrank und schwieg.
« Andrew. Er sitzt in einer psychiatrischen Anstalt in New York City, Tante Nora. In einer Klinik für psychisch kranke Straftäter, Seit vierzehn Jahren.»
« Mir wäre es lieber, er wäre tot», sagte Nora leise und schloss die Kühlschranktür.
« Tante Nora ...»
« Du solltest nicht nach ihm suchen. Er ist ein Mörder.»
« Ich habe vorgestern eine Kopie seiner Gerichtsakte aus New York bekommen. Er leidet an Schizophrenie, Tante Nora. Er ist krank.»
« Nenn es, wie du willst», schnappte Nora. Ihre blauen Augen funkelten wütend.
« Für mich ist und bleibt er ein Teufel. Er hat deine Mutter regelrecht geschlachtet, und deinen Vater ... Er ist ein Monster!» Mit einem erstickten Schluchzen wandte sie sich ab. Julia schämte sich dafür, dass sie ihre Tante zum Weinen gebracht hatte, nach allem, was sie und Onkel Jimmy für sie geopfert hatten. Doch plötzlich schlug Nora voller Zorn mit beiden Händen auf die Anrichte.
« Du hattest kein Recht, nach ihm zu suchen!», zischte sie, immer noch mit dem Rücken zu Julia.
« Du bist es deiner Mutter schuldig, ihn zu vergessen und dein Leben weiterzuleben. Soll er verrotten! Ich hoffe, sie lassen ihn nie wieder raus. Sie hätten ihn hinrichten sollen. Genau dafür gibt es die Todesstrafe – für Monster wie ihn.»
« Er ist mein Bruder. Mein Bruder ...»
« Und sie war deine Mutter!», schrie Tante Nora und drehte sich um.
« Sie war meine Schwester! Meine kleine Schwester, Gott sei ihrer Seele gnädig. Du und Jimmy und eure Vergebung ...» Sie presste die roten Lippen aufeinander und hielt für einen Augenblick inne.
« Dir fällt es leicht, ihm zu vergeben, nicht wahr? Du warst in jener Nacht ja nicht zu Hause. Aber mach dir bloß nichts vor, Julia. Wenn du damals in deinem eigenen Bett gelegen hättest, hätte er auch dich zerstückelt. Er hätte keine Gnade gekannt, und wenn du auf den Knien um dein Leben gebettelt hättest.» Die blonde, blauäugige Journalistin konnte ihr aufgeregtes Grinsen kaum verbergen. Die Tür des blau-weißen Hauses im Kolonialstil hinter ihr war

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