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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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dass sie über ihn und Karyn Bescheid wusste. Plötzlich dachte sie an all die intimen Momente in seiner Wohnung, in seinem Bett, und hätte sich vor Scham am liebsten zusammengekrümmt. Sie schwieg beharrlich weiter.
« Bei den Geschworenen würde es einen guten Eindruck machen, wenn du mehr Verantwortung übernimmst», fuhr er fort.
« Bisher ist es für uns ganz ausgezeichnet gelaufen. Jetzt kommt es nur noch darauf an, wie glaubwürdig Marquettes Seelenklempner sind. Ich nehme Koletis und Hayes ins Kreuzverhör, und du demontierst die Verteidigung mit der Aussage unseres Gutachters. Vielleicht überlasse ich dir auch die Befragung von Pat Hindlin, also sieh dir am Wochenende noch einmal seinen Bericht an. Mit einer effektiven direkten Befragung wirst du uns einige Pluspunkte verschaffen, auch wenn du dabei nicht so kämpferisch rüberkommst wie in einem Kreuzverhör. Außerdem müssen wir dich vor den Schlussplädoyers noch einmal den Geschworenen präsentieren. Du hast einen guten Draht zu ihnen. Mir war klar, dass es so kommen würde. Deshalb wollte ich dich als zweite Anwältin haben. Sie identifizieren sich mit dir und damit auch mit den Opfern.» Einer der Gründe. Der andere Grund hatte inzwischen keine Bedeutung mehr.
« Bist du damit einverstanden?» Julia nickte langsam.
« Ja», hörte sie sich sagen.
« Alles klar.»
« Sie mögen dich, verstehst du?», fügte Rick hinzu, während sie den Gerichtssaal durchquerten. Draußen im Korridor warteten immer noch einige Journalisten, um wenigstens ein paar gute Fotos zu erhaschen.
« Und noch viel wichtiger, sie vertrauen dir.» Dann trat er den Reportern mit einem selbstbewussten Lächeln entgegen. A LS JULIA in ihr Büro kam, hatte sie ein Dutzend Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter, zweiunddreißig E-Mails in ihrem Postfach und die Akten von drei neuen Fällen auf ihrem Schreibtisch. Sie mochte zwar zweite Anwältin im Mordprozess des Jahres sein, doch im alltäglichen Trott der Staatsanwaltschaft bedeutete das überhaupt nichts. Niemanden interessierte es, dass sie bereits hundertzwei Fälle bearbeitete, und ihrer Abteilungsleiterin war völlig gleichgültig, wie sie es schaffte, sich auf ihre Fälle vorzubereiten – Hauptsache, sie war vorbereitet. Wahrscheinlich wartete Karyn nur darauf, dass Julia unter ihrer Arbeit zusammenbrach. Anstatt also nach Hause zu fahren, eine Runde zu laufen und einige Tabletten gegen die Kopfschmerzen zu nehmen, die langsam zu ihrem ständigen Begleiter wurden, verbrachte Julia zwei Stunden damit, das Chaos auf ihrem Schreibtisch zu beseitigen. Der Druck, der auf ihr lastete, wurde von Tag zu Tag größer. Sie fühlte sich schrecklich einsam. Das Doppelleben, das sie in den letzten Monaten geführt hatte, zehrte an ihren Kräften. Außerdem gelang es ihr nicht, Distanz zu dem Fall aufzubauen, und sie hatte das Gefühl, niemandem mehr vertrauen zu können, weder Rick, Karyn oder Charley Rifkin noch dem Generalstaatsanwalt. Auch nicht Nora und Jimmy ... Julia vermisste die beiden sehr. Sie vermisste eine Familie. Doch sie war zu einer Ausgestoßenen geworden, genau wie Andrew. Sie nahm das Telefon und wählte die Nummer von Nora und Jimmy, doch es meldete sich wie immer nur der Anrufbeantworter. Sie legte auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, und sah auf die Uhr. Es war bereits zu spät, um Andrew anzurufen, und selbst wenn sie ihn ans Telefon bekäme, wusste sie nicht, was sie ihm hätte sagen sollen. Sie musste diese Sache allein durchstehen. Julia legte den Kopf in die Hände und rieb sich über die Schläfen. Dieser Fall wuchs ihr langsam über den Kopf. Sie dachte an die Informationen über andere Mordfälle, die der Presse zugespielt worden waren und von denen sie nichts gewusst hatte. An die Einzelheiten, die ihr niemand mitgeteilt hatte. An all die politischen Motive und Betrügereien. Hätte sie das mit Rick und Karyn kommen sehen müssen? Hätte sie ahnen sollen, dass Rick einen Fall für seine politische Karriere manipulierte? So ging es wahrscheinlich jedem Staatsanwalt, der einen derart hochkarätigen Mordprozess führte, sagte sich Julia. Man stand ununterbrochen im Rampenlicht, jede Bewegung, jeder Satz, jedes Outfit, einfach alles wurde beobachtet und kommentiert. Doch wenn sie den Druck, der auf ihr lastete, in den Griff bekam, schaffte sie auch alles andere. Bald war das ganze Spektakel ohnehin vorüber. Es war bereits kurz vor acht. Wieder würde sie eine der Letzten sein, die das Gebäude

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