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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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bloß die Zeitung aufzuschlagen.» Brill schnippte seine Zigarette aus dem Fenster.
« Ich hasse Ärzte», fuhr er fort.
« Ich traue ihnen nicht, und deswegen gehe ich auch nicht hin. Die haben doch alle einen Gotteskomplex. Mein Dad war mal bei einem – das erste Mal in zwanzig Jahren, dass er sich durchchecken lässt Er geht lachend zur Tür rein, gesund wie ein Pferd. Dann schleift ihn dieser Idiot in Weiß zu so ‘ner Tretmühle und lässt ihn laufen, als ob der Teufel hinter ihm her wäre. Zwei Stunden später liegt mein Dad im Krankenhaus. Zwei Tage später ist er tot. Das ist doch unfassbar, oder nicht?» In diesem Moment klingelte Lats Handy. Brill zündete sich eine weitere Zigarette an und sah aus dem Fenster. Sie führen gerade an einer riesigen Fabrikanlage vorbei, deren Schornsteine weißen Rauch in den Himmel stießen, zu einer riesigen giftigen Wolke über der Stadt. Brill war noch nie in Philadelphia gewesen, und jetzt wusste er auch, warum. Die kahlen Bäume, der graue Himmel und der Dauerregen deprimierten ihn. Brill, wie so viele zugereiste New Yorker, war lange genug in Florida, um unter Entzugserscheinungen zu leiden, sobald er weg war. Er brauchte das grüne Gras, den blauen Himmel und die weißhaarigen Golfer in ihren karierten Hosen. Zwei Minuten später legte Lat auf.
« Unsere schöne Theorie ist dahin», sagte er seufzend.
« Das war das Labor.» Brill sah Lat an.
« Das Messer passt nicht?»
« Doch, das Messer passt. Aber etwas anderes passt nicht.»
« Das gibt’s doch nicht», sagte Brill und setzte sich ruckartig auf. Lat schlug mit der Hand auf das Lenkrad.
« Das Sperma, das auf Jennifers Nachthemd gefunden wurde, stammt nicht von ihrem Mann.»
KAPITEL 27
    N ORAS UND Jimmys Apartmentblock stand einge— klemmt zwischen zwei Hochhäusern am südlichen Ende des übervölkerten Strands von Fort Lauderdale, das Galt Mile genannt wurde. Julia parkte ihren Honda auf dem Parkplatz mit der knallgelben Markierung NUR FÜR GÄSTE. Nachdem sie den Motor abgestellt hatte, blieb sie einen Augenblick sitzen, um den Wellen des Atlantiks zu lauschen, die im Schatten des Gebäudes sanft an die Küste rollten. Die Sonne stand bereits tief und tauchte den Himmel über dem Intracoastal Waterway im Westen in warmes, orangerotes Licht, das von kupferroten Streifen und einem zarten Schleier violetter Wolken durchzogen war. Die Luft schmeckte nach Salz und Kokosnussöl – wie Pina Coladas und Margaritas. Julia liebte diese Tageszeit, und sie liebte den Strand. Noch dazu war endlich Freitag. Sie spürte, wie der Stress der letzten Woche allmählich von ihr abfiel. Dann griff sie nach der Macy’s-Tüte auf dem Beifahrersitz und der Flasche mit dem LieblingsChianti ihres Onkels und überquerte den Parkplatz. Während des verrückten Immobilienbooms im Süden Floridas in den letzten fünf Jahren hatten reiche und prominente Investoren wie Donald Trump viele der älteren, heruntergekommenen Hotels und Hochhäuser aufgekauft. Sie renovierten die Gebäude oder rissen sie ab, um neue Anlagen zu bauen, genau wie sie es ein paar Jahre zuvor in Miami Beach getan hatten. Das lange überfällige und sündhaft teure Facelifting verwandelte Fort Lauderdale allmählich in eine moderne, schicke Stadt am Meer. Das amerikanische Venedig, wie es der Bürgermeister nannte, in der Hoffnung, der vielversprechende Spitzname möge sich durchsetzen. An der Galt Mile jedoch war diese Entwicklung spurlos vorübergegangen. Während anderswo die Immobilienpreise in die Höhe schossen und sich die Makler nach jungen, trendigen Käufern umsahen, schien in diesem Teil von Fort Lauderdale die Zeit stehengeblieben zu sein. An der Mile wohnten seit eh und je Rentner – Haustiere, Untermieter und Kinder verboten. Mit ihrem Gehalt und viel Glück konnte sich Julia gerade mal die Einzimmerwohnung westlich der Autobahn leisten, und falls sie nicht im Lotto gewann, würde ein Zuhause direkt am Strand auf absehbare Zeit ein Wunschtraum bleiben. Julias Tante und Onkel dagegen hatten ihre Wohnung schon vor zwanzig Jahren als Ferienwohnsitz gekauft – für einen Apfel und ein Ei. Innerhalb von einer Woche hatten sie es mit Hilfe von Julias Eltern eingerichtet, bis hin zu den Tischsets aus dem Katalog. Dann, als Julia später auszog, um zur Uni zu gehen, und Onkel Jimmy seinen Bandscheibenvorfall hatte, waren Jimmy und Nora schließlich ganz in den Süden übergesiedelt. Julia war sieben oder acht Jahre alt gewesen, als Tante Nora und Onkel

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