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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Schlacht auszukämpfen. Er streichelte ihren Haa r schopf, wartete, bis ihr Dämon sie wieder freiließ, und schlüpft e dann unter der Bettdecke hervor.
    Der Küchenboden war unter seinen nackten Füßen kalt. Er öffnete ein paar Einbauschränke. Verstaubtes Steingut und ein paa r halbleere Packungen mit Lebensmitteln. Der Kühlschrank war alt und hätte aus einem biologischen I n stitut entliehen sein können, de r Inhalt blaubepelzt und durchsetzt von exotischen Fo r men. Es war eindeutig, daß Selbstversorgung hier keinen Vorrang genoß. E r setzte den Wasserkessel auf, spülte einen Becher und häufte drei Lö f fel Instantkaffeepulver hinein.
    Er wanderte durch die Wohnung und schlürfte das bitt e re Gebräu. Im Wohnzimmer stand er am Fenster und zog den Vorhang ei n winziges Stückchen zurück. Die Bülo w straße war ve r lassen. Er konnte die schwachbeleuchtete Fernsprechzelle sehen und dahinter di e Schatten des Bah n hofseingangs. Er ließ den Vorhang wieder fallen.
    Amerika. Die Vorstellung war ihm zuvor nie geko m men. Als er daran dachte, bediente sich sein Gehirn aut o matisch der Bilder, di e Doktor Goebbels da so wohlübe r legt eingepflanzt hatte. Juden und Neger. Kapitalisten in Zylindern und verqualmte Fabriken.
    Bettler auf den Straßen. Striptease-Bars. Gangster, die aus großen Autos aufeinander schießen. Schwelende Mietskasernen un d moderne Jazzbands, die wie Polizeis i renen durch die Ghettos schrillen. Kennedys zahniges L ä cheln. Charlies dunkle Augen und weiß e Glieder. Amerik a Er ging ins Badezimmer. Die Wände waren von Damp f wolken und Seifenspritzern gefleckt. Überall Fläschchen und Tuben, und klein e Töpfchen. Geheimnisvolle weibl i che Gegenstände aus Glas und Plastik. Es war schon lange her, daß er das Bad e zimmer eine r Frau gesehen hatte. Es ließ ihn sich linkisch und fremd fühlen - der schwerfüßige Botschafter einer anderen Ra s se. Er nahm ein paa r Dinge hoch und roch an ihnen, er drückte einen Tropfen weiße Creme auf seinen Finger und rieb mit seinem Daumen da r an herum.
    Dieser Duft von ihr vermischte sich mit ihren anderen, die schon an seiner Hand waren.
    Er wickelte sich in ein großes Handtuch und setzte sich auf den Boden, um nachzudenken. Drei- oder viermal hörte er sie noch vor de r Dämmerung im Schlaf schreien - Schreie wirklicher Angst. Erinnerungen oder Voraussicht? Er wünschte, er wüßte es.

ZWEI
    Kurz vor 7 ging er hinab in die Bülowstraße. Sein Vol k swagen parkte hundert Meter straßauf auf der Linken vor einem Metzgerladen.
    Der Besitzer hängte unförmige Fleischstücke ins Scha u fenster. Ein hochgehäuftes Tablett blutroter Würste vor seinen Füßen erinnert e März an etwas.
    Die Finger von Globus, das war es - diese ungeheuren rohen Fäuste.
    Er beugte sich über den Rücksitz des Volkswagens und zog seinen Koffer an sich. Als er sich aufrichtete, blickte er rasch in beid e Richtungen. Es war nichts Besonderes zu sehen - nur die üblichen Anzeichen eines frühen Samsta g morgens. Die meisten Geschäft e würden wie üblich öffnen, gegen Mittag aber wegen des Feiertages schließen.
    Zurück in der Wohnung machte er mehr Kaffee, stellte einen Becher auf das Nachttischchen neben Charlie und ging ins Badezimmer,
    um sich zu rasieren. Nach einigen Minuten hörte er sie hinter sich hereinkommen. Sie legte ihm die Arme um die Brust und drückte ihn,
    wobei sich ihre Brüste in seinen nackten Rücken pre ß ten.Ohne sich umzudrehen küßte er ihre Hand und schrieb in den Dampf auf de m Spiegel: PACKEN. OHNE RÜC K KEHR. Als er die Botschaft auswischte, sah er sie zum er s ten Mal deutlich - die Haare zerzaust, di e Augen halbg e schlossen, die Züge ihres Gesichts vom Schlaf noch sanft. Sie nickte und schlenderte zurück ins Schlafzimmer.
    Er zog sich seine Zivilsachen an wie für Zürich, aber mit einem Unterschied. Er schob sich seine Luger in die rechte Tasche seine s Trenchcoats. Der Mantel - alte Überbestände der Wehrmacht, billig vor langer Zeit erworben - war au s gebeult genug, daß man von de r Waffe nichts sehen kon n te. Er konnte die Pistole sogar halten und mit ihr durch die Tasche zielen, gangstermäßig: »Na schön,
    Kumpel, gehn wir.«
    Er lächelte sich zu. Wieder Amerika.
    Die mögliche Anwesenheit eines Mikrofons warf einen Schatten über ihre Vorbereitungen. Sie bewegten sich leise durch die Wohnun g ohne zu reden. Um 10 nach 8 war sie fertig. März holte das Radio aus dem Badezimmer, stellte es auf den Tisch im

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