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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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seiner Uniformjacke die Dokumente aus dem Archiv hervor. »Am 20. Januar 1942 war Martin Luther einer der 14 Männer, die zu einer Sonderkonferenz im Hauptquartier der Interpol am Wannsee bestellt worden waren. Seit dem Kriegsende sind 6 dieser Männer ermordet worden, 4 h a ben Selbstmord begangen, 1 ist bei einem Unfall ums L e ben gekommen. 2 sind angeblich auf natürliche Weise g e storben. Heute lebt nur noch Luther. Eine monströse Stati s tik, meinen Sie nicht auch?« Er gab Nightingale die Papi e re.
    »Sie werden sehen, daß die Konferenz von Reinhard Heydrich einberufen worden ist, um die Endlösung der J u denfrage in Europa zu diskutieren. Ich nehme an, daß L u ther Ihnen ein Angebot machen wird: ein neues Leben in Amerika im Austausch für die dokumentarischen Beweise für das, was mit den Juden geschehen ist.«
    Das Wasser rauschte. Die Musik hörte auf. Die seidige Stimme einer Ansagerin flüsterte in das Badezimmer: »Und jetzt für die Nachtliebhaber überall Peter Kreuder mit seinem Orchester und ihrer Version von I´m in Heaven ...«
    Ohne ihn anzusehen, streckte Charlie ihre Hand aus. März ergriff sie. Sie flocht ihre Finger zwischen seine und drückte, kraftvoll. Gut, dachte er, sie sollte sich wirklich fürchten. Ihr Griff verstärkte sich. Ihre Hände waren mite i nander verbunden wie Fallschirmspringer im freien Fall. Nightingale hatte seinen Kopf über die Dokumente gebeugt und murmelte »Um Gottes willen, um Gottes willen«, i m mer und immer wieder.

    »Jetzt haben wir ein Problem«, sagte Nightingale. »Ich will mit euch beiden offen sein. Charlie, das ist nicht zur Veröffentlichung.« Er sprach so leise, daß sie sich anstre n gen mußten, ihn zu hören. »Vor drei Tagen hat der Präs i dent der Vereinigten Staaten aus welchen Gründen auch immer angekündigt, er werde dieses gottverlassene Land besuchen. In diesem Augenblick wurden zwanzig Jahre amerikanischer Außenpolitik auf den Kopf gestellt. Nun könnte dieser Knabe Luther theoretisch - wenn das, was Sie sagen, stimmt - sie wieder umdrehen, und das alles binnen 72 Stunden.« Charlie sagte: »Dann würde sie die W o che wenigstens richtigrum beenden.« »That's a cheap crack.«
    Er sagte es auf englisch. März starrte ihn an. »Was sagen Sie, Mr. Nightingale?«
    »Ich sagte, Herr Sturmbannführer, daß ich zunächst mit Botschafter Lindenbergh reden muß, und dann muß Bo t schafter Lindenbergh mit Washington reden. Und ich habe so eine Ahnung, daß beide sehr viel mehr Beweise haben wollen als das da« - er warf die Fotokopien auf den Boden -, »ehe sie die Tore der Botschaft für einen Mann öffnen, der nach dem, was Sie gesagt haben, wahrscheinlich ein gemeiner Mörder ist.« »Aber Luther bietet Ihnen die B e weise an.«
    »Das sagen Sie. Aber ich glaube nicht, daß Washington den ganzen Fortschritt, den es in dieser Woche bei der En t spannung gegeben hat, nur aufgrund Ihrer ... Theorien aufs Spiel setzen wird.«
    Jetzt war Charlie auf den Füßen. »Das ist Wahnsinn. Wenn Luther nicht sofort mit dir in die Botschaft geht, wird man ihn schnappen und umbringen.«
    »Tut mir leid, Charlie. Das kann ich nicht machen.« Er flehte sie an. »Begreif doch! Ich kann nicht jeden alten N a zi aufnehmen, der überlaufen will. Nicht ohne Genehm i gung. Und besonders jetzt nicht, wo die Dinge so sind, wie sie sind.« »Ich kann nicht glauben, was ich höre.« Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und starrte auf den B o den und schüttelte den Kopf.
    »Denk doch mal eine Minute nach.« Wieder flehte er fast.
    »Dieser Luther sucht Asyl. Die Deutschen sagen: Liefert ihn aus, er hat gerade einen Mann umgebracht. Wir sagen: Nein, denn er wird uns erzählen, was ihr Schweine den J u den im Krieg angetan habt. Und was wird das für den Gi p fel bedeuten? Nein - Charlie - sieh nich t einfach weg. Denk nach. Kennedy hat über Nacht am Mittwoch in den Umfr a gen 10 Punkte zugelegt. Was meinst du, wie das Weiß e Haus reagiert, wenn wir ihnen das hier an di e Köpfe schmeißen?« Zum zweiten Mal wurden Nighti n gale die Folgen klar; zum zweiten Mal schauderte es ihn. »Um Go t tes willen,
    Charlie, in was bist du da bloß hineingeraten?«
    Die beiden Amerikaner diskutierten weitere zehn Min u ten hin und her, dann sagte März ruhig. »Übersehen Sie da nicht etwas, Mr.
    Nightingale?«
    Nightingale wandte seine Aufmerksamkeit widerwillig von Charlie ab. »Vielleicht. Sie sind der Polizist. Sagen Sie es mir.«
    »Mir scheint, daß wir alle -

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