Vaterland
Wie ein Stück aus dem Römischen Reich. Malereien, G o belins, aus den Kirchen zusammengeraubte Schätze, Juwelen. Best e chung in bar und Bestechung in Natur, du weißt schon, was ich meine.« Halders blaue Augen leuchteten bei der Vo r stellung auf, und seine Augenbrauen tanzten. »Und Bühler war darin verwickelt?« »Wer weiß. Wenn nicht, dürfte er der einzige gewesen sein« »Das würde erklären, wieso er ein Haus auf Schwanenwerder hätte.«
Halder pfiff leise. »Na endlich. Wir haben die falsche Art Krieg geführt, mein Freund. Statt in einem stinkigen Blechsarg 200 Meter unter dem Atlantik eingepfercht zu sein, hätten wir in schlesischen Schlössern auf Seide schl a fen und ein paar polnische Mädchen zur Gesellschaft h a ben können.«
März hätte ihn gerne noch mehr gefragt, aber er hatte keine Zeit. Als sie gingen, sagte Halder: »Kommst du zum Abendessen mit meinem BDM-Weib?« »Ich denk dran. «
»Vielleicht können wir sie dazu überreden, ihre Uniform anzuziehn.« Wie er da vor dem Hotel stand, die Hände tief in den Taschen und einen langen Schal zweimal um den Hals geschlungen, sah Halder mehr denn je wie ein Student aus. Plötzlich klatschte er sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Total vergessen! Ich wollte dir noch erzählen ... Mein Gedächtnis ... Ein paar Sipo, Jungs waren in der let z ten Woche im Archiv und haben nach dir gefragt.«
März spürte, wie sein Lächeln schrumpfte. »Die Gest a po? Was wollten die denn?« Es gelang ihm, einen leich t en, nebensächlichen Ton beizubehalten.
»Och, das übliche Zeugs. Was zum Teufel hat er im Krieg gemacht? Hat er irgendeine starke politische Übe r zeugung? Wer sind seine Freunde?. Was geht vor, Xavi? Stehst du zur Beförderung an oder was?«
»Muß wohl so sein.« Er redete sich zu, sich zu entspa n nen. Vielleicht war es ja nur eine Routinekontrolle. Er mußte daran denken, Max zu fragen, ob der was von einer neuen Überprüfung gehört hatte. »Na schön, wenn du Chef der Kripo wirst, vergiß deine alten Freunde nicht.« März lachte. »Bestimmt nicht.. Sie schüttelten sich die Hände. Als sie auseinandergingen, sagte März: »Ich frage mich, ob Bühler Feinde hatte?« »O ja«, sagte Halder, »natürlich.« »Wen?«
Halder zuckte die Schultern. »Zum Beispiel dreißig Mi l lionen Polen.«
Die einzige Person auf dem zweiten Stockwerk am Werderschen Markt war eine polnische Putzfrau. Ihr Rüc k en war März zugekehrt, als er aus dem Aufzug stieg. Alles, was er sehen konnte, war ein mächtiger Rumpf, der auf den Sohlen ihrer schwarzen Gummistiefel ruhte, und das rote Kopftuch um ihr Haar, das auf und nieder hüpfte, während sie den Boden schrubbte. Sie sang leise in ihrer Mutter s prache vor sich hin. Als sie ihn näher kommen hö r te, hielt sie inne und wandte den Kopf der Wand zu. Er drückte sich hinter ihr vorbei und ging in sein Büro. Nac h dem sich die Tür geschlossen hatte, hörte er, wie sie wieder zu singen begann.
Es war noch nicht 9 Uhr. Er hängte seine Mütze an die Tür und knöpfte seine Uniformjacke auf. Auf seinem Schreibtisch lag ein großer brauner Umschlag. Er öffnete ihn und schüttelten den Inhalt heraus, Fotografien vom T a tort. Glänzende Farbaufnahmen von Bühlers Körper, wie ein Sonnenanbeter am Rand des Sees ausgebreitet. Er hob die antike Schreibmaschine vom Aktenschrank herab und trug sie zu seinem Schreibtisch. Aus einem Drahtkorb nahm er zwei Blatt oft benutzten Kohlepapiers, zwei Blatt Durchschlagpapier und ein Berichtsformular, sortierte sie zusammen und zog sie in die Schreibmaschine. Dann zü n dete er sich eine Zigarette an und starrte einige Minuten lang auf die tote Pflanze. Er begann zu schreiben.
An: Leiter VB7 (a )
Betr.: Unidentifizierte Leiche, män n lich
Von: X. März, SS-Sturmbannführe r
Ich bitte, wie folgt berichten zu dürfen.
1. Um 6.28 gestern wurde ich abkommandiert, um der Bergung einer Leiche aus der Havel beizuwohnen. Die Leiche war vom SS-Schützen Hermann Jost um 6.o2 entdeckt und der Ordnungspolizei gemeldet worden (Aussage liegt bei).
2. Da kein männliches Wesen zutreffender Beschre i bung als vermißt gemeldet war, veranlaßte ich, daß die Fi n gerabdrücke der Person mit den gespeicherten vergl i chen wurden.
3. Dadurch konnte die Person als Dr. Josef Bühler identif i ziert werden, ein Parteimitglied im Ehrenrang eines SS-Brigadeführers. Er diente 1939-1951 als Staatssekretär im Generalgouvernement.
4. Eine vorläufige Untersuchung vor Ort durch
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