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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Berlin verbrachte und eben jene große Strategie Stück für Stück zusammensetzte, von der er einst ein wi n ziges, verängstigtes Teilchen gewesen war. Der U-Boot-Dienst Operationen und Taktiken 1939-43 war 1963 e r schienen.
    Jetzt half Halder bei der Zusammenstellung des dritten Bandes der Geschichte der Deutschen Wehrmacht an der Ostfront. »Das ist wie in den Volkswagenwerken in Fa l lersleben arbeiten«, sagte Halder. Er biß von seinem Ei ein Stück ab und kaute eine Weile. »Ich schraube die Räder an, Jäckel setzt die Türen ein und Schmidt den Motor.« »Und wie lange dauert das noch?«
    »Oh, ewig, nehme ich an. Geld spielt keine Rolle. Das ist der Triumphbogen aus Wörtern, weißt du? Jeder Schuß, jedes Scharmützel, jede Schneeflocke, jedes Niesen. I r gendwer wird sogar die Amtliche Geschichte der Amtl i chen Geschichten schreiben. Ich werd das noch weitere fünf Jahre machen.« »Und dann?«
    Halder wischte sich Eikrümel von der Krawatte. »Ein Lehrstuhl in irgendeiner kleinen Universität im Süden. Ein Haus auf dem Land mit Ilse und den Kindern. Ein paar B ü cher, die respektvoll rezensiert werden. Mein Ehrgeiz ist bescheiden. Und wenn auch nichts anderes, so kann einem diese Art von Arbeit doch einen Sinn für die Perspektive der eigenen Sterblichkeit geben. Apropos...« Aus seiner Innentasche zog er ein Blatt Papier hervor. »Mit den besten Grüßen des Reichsarchivs.«
    Es war die Fotokopie einer Seite aus einem alten Parte i handbuch. Vier Paßbilder als Porträts uniformierter Bea m ter, jedes von einer kurzen Biographie begleitet, Brün, Brunner, Buch. Und Bühler. Halder sagte: »Führende Pe r sönlichkeiten der NSDAP Ausgabe 1951.« »Kenn ich gut.« »Gib zu, ein feiner Haufen.«
    Die Leiche in der Havel war die von Bühler, keine Fr a ge. Er starrte März durch seine randlose Brille an, streng und humorlos, die Lippen geschürzt. Das Gesicht eines Bürokraten, eines Rechtsanwalts; ein Gesicht, das man ta u sendmal sehen mochte und doch nie beschreiben kon n te; scharf in Person, verwischt in der Erinnerung; das G e sicht eines Maschinenmenschen. »Du wirst sehen«, faßte Halder zusammen, »eine Säule nationalsozialistischer Eh r barkeit. Ist der Partei '22 beigetreten - das ist so ehrbar wie nur möglich. Arbeitete als Rechtsanwalt mit Hans Frank, dem Rechtsanwalt des Führers. Stellvertretender Präsident der Akademie des Deutschen Rechts.«
    »Staatssekretär, Generalgouvernement 1939«, las März. »,SS-Brigadeführer.<« Brigadeführer, auch das noch. Er nahm sein Notizbuch heraus und begann zu schreiben.
    »Ehrenrang«, sagte Halder mit vollem Mund. »Ich be z weifle, daß er je einen Schuß im Zorn abgefeuert hat. Er war der reine Schreibtischmann. Als Frank '39 rausg e schickt wurde, um als Gouverneur zu regieren, was noch von Polen übrig war, muß der seinen alten Mitarbeiter Bühler als Chefbürokrat mitgenommen haben. Probier mal diesen Schinken. Ausgezeichnet.« März kritzelte rasch. »Wie lange war Bühler im Osten?«
    »Zwölfjahre, glaub ich. Ich hab die Ausgabe von 1952 überprüft. Da gibt es keinen Bühler mehr. Also muß'51 sein letztes Jahr gewesen sein.«
    März hörte auf zu schreiben und klopfte mit dem Füller gegen die Zähne. »Entschuldige mich ein paar Minuten. « Im Foyer gab es eine Fernsprechzelle. Er rief die Vermit t lung der Kripo an und bat um seinen eigenen Anschluß. Eine Stimme grummelte: »Jäger.«
    »Hör zu, Max.« März wiederholte, was ihm Halder e r zählt hatte. »Da wird eine Frau erwähnt.« Er hielt das P a pier in das schwache elektrische Licht in der Zelle und sah angestrengt hin.
    »Edith Tulard. Kannst du die auftreiben? Damit wir die Leiche identifizieren lassen können.« »Die ist tot.« »Was?«
    »Sie ist vor über zehn Jahren gestorben. Ich hab das im SS-Mitgliedschaftsamt überprüft - selbst die Ehrenränge mußten ihre nächsten Verwandten angeben. Bühler hatte keine Kinder, aber ich hab seine Schwester aufgetrieben. Sie ist Witwe, zweiundsiebzig Jahre alt und heißt Elisabeth Trinkl. Lebt in Fürstenwalde.«
    Kannte März: eine kleine Stadt etwa 45 Autominuten südöstlich Berlins. »Die Ortspolizei bringt sie direkt zum Leichenschauhaus.« »Ich treff dich da.«
    »Noch was. Bühler hatte ein Haus auf Schwanenwerder.
    « Das erklärte den Fundort der Leiche. »Gute Arbeit, Max.« März hängte auf und machte sich auf den Weg z u rück in den Speisesaal. Halder hatte sein Frühstück bee n det. Er warf seine Serviette

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