Vaterland
erschaffen hat, und an den Führer, Adolf Hitler, den E R uns gesandt hat.«
»Wem vor allem müssen wir dienen?«
»Unserem Volk und unserem Führer Adolf Hitler.«
»Warum gehorchen wir?«
»Aus innerer Oberzeugung, aus dem Glauben an Deutschland, an den Führer, an die Bewegung und die SS und aus Treue.«
»Gut!« Der Ausbilder nickte. »Gut. Sammeln in 35 M i nuten auf dem südlichen Sportfeld. Jost: bleiben. Der Rest von euch: entlassen!«
Mit ihrem kurzgeschorenen Haar und den lose sitzenden hellgrauen Arbeitsuniformen sah die Klasse der SS-Kadetten aus wi e Sträflinge. Sie zogen geräuschvoll ab, mit kratzendem Verschieben der Stühle und Trampeln der Sti e fel auf dem rohen Holzfußboden.
Ein großes Porträt des verstorbenen Heinrich Himmler lächelte auf sie herab, wohlwollend. Jost sah verloren aus, wie er da allein in de r Mitte des Klassenzimmers Habtacht stand. Einige der anderen Kadetten hatten ihn neugierig angesehen, als sie gingen. Es mußte j a Jost sein, schienen sie zu denken. Jost: der Eigenbrötler, der Einsame, der i m mer auffiel. Heute abend mochten ihm wohl weiter e Kla s senkeile in der Kaserne drohen.
Der Ausbilder nickte in Richtung des hinteren Klasse n zimmers.
»Da ist ein Besucher für Sie.«
März lehnte gegen einen Heizkörper, die Arme übe r kreuzt, und beobachtete.
»Da bin ich noch mal, Jost«, sagte er.
Sie gingen über den weiten Exerzierplatz. In einer Ecke wurde ein Haufen neuer Rekruten von einem SS-Hauptscharführer mit eine r bombastischen Rede tra k tiert. In einer anderen streckten und bogen und berührten hu n dert andere Jugendliche in schwarze n Trainin g sanzügen ihre Zehenspitzen in vollkommener Unterwe r fung unter gebrüllte Befehle. Jost hier zu treffen erinnerte März an de n Besuch von Häftlingen im Gefängnis. Derselbe An s taltsgeruch nach Wachs und Desinfektionsmitteln und ve r kochtem Essen.
Dieselben häßlichen Gebäudeblocks aus Beton. Diese l ben hohen Mauern und patrouillierenden Wachen. Wie ein KZ war auch di e Sepp-Dietrich-Akademie: zugleich riesig und klaustrophobisch; eine vollkommen in sich geschlo s sene Welt.»Können wir un s irgendwo privat unterhalten?« fragte März.
Jost sah ihn verächtlich an. »Hier gibt es nichts Privates. Das ist die Hauptsache.« Sie taten einige weitere Schritte. »Ich nehme an, wi r können es im Schlafsaal versuchen. Alle anderen sind beim Essen.«
Sie kehrten um, und Jost führte März in ein niedriges, grau gestrichenes Gebäude. Innen war es düster, mit einem starken Geruch vo n Männerschweiß. Da standen minde s tens hundert Be t ten.
In vier Reihen aufgestellt. Jost hatte richtig vermutet: Er war leer.
Sein Bett stand in der Mitte, zweidrittel den Gang hinab. März saß auf der groben braunen Decke und bot Jost eine Zigarette an.
»Das ist hier nicht erlaubt.«
März winkte ihm mit dem Päckchen. »Los doch. Sie können ja sagen, ich hätte es Ihnen befohlen..
Jost nahm dankbar an. Er kniete sich hin, öffnete das Metallschränkchen neben dem Bett und begann nach etwas zu suchen, was ma n als Aschenbecher verwenden konnte. Als die Tür aufstand, konnte März ins Innere blicken: St ö ße von T a schenbüchern, Zeitschriften,
eine gerahmte Fotografie.
»Darf ich?«
Jost zuckte mit den Achseln. »Sicher.«
März nahm die Fotografie heraus. Eine Familie, es eri n nerte ihn an das Bild der Weiß'. Der Vater in einer SS-Uniform. Die schüchter n dreinblickende Mutter mit Hut. Die Tochter: ein hübsches Kind mit blonden Zöpfen; vie r zehn vielleicht. Und Jost selbst: pausbäcki g und l ä chelnd, kaum erkennbar als die gequälte kurzg e schorene Gestalt, die da jetzt auf dem steinernen Kase r nenfußboden kniete.
Jost sagte: »Ich hab mich verändert, was?«
März war entsetzt und versuchte das zu verbergen. »Ihre Schwester?« fragte er.
»Sie geht noch zur Schule .«
»Und Ihr Vater?«
»Er hat jetzt ein Baugeschäft in Dresden. Er war einer der ersten 1941 in Rußland. Daher die Uniform.«
März sah sich die strenge Gestalt näher an. »Trägt er nicht das Ritterkreuz?« Das war die höchste Auszeichnung für Tapferkeit.
»O ja«, sagte Jost. »Ein wirklicher Kriegsheld.« Er nahm die Fotografie und verstaute sie wieder im Schrän k chen. »Was ist mit Ihre m Vater?«
»Er war in der Kaiserlichen Marine«, sage März. »Er wurde im Ersten Weltkrieg verwundet. Hat sich nie mehr richtig erholt«
»Wie alt waren Sie, als er gestorben ist?«
»Sieben.«
»Denken Sie immer
Weitere Kostenlose Bücher