Vaterland
etwas hätte sehen können. Er sprang aus dem Boot und begann auf seiner Spur zurückzulaufen. Das Holz der Mole war zu Grau verwittert, abgesehen von einer Stelle entlang der Kante gegenüber dem Boot. Hier gab es orangefarbene Splitter und einen Kratzer weißer Farbe. März beugte sich hinab, um die Spuren zu untersuchen, als etwas fahl Schimmerndes im Wässer seinen Blick einfing, nahe der Stelle, wo die Mole das Ufer verließ. Er ging z u rück und kniete nieder, und als er sich mit der Linken fe s thielt und die Rechte so weit wie nur möglich ausstreckte, konnte er es gerade noch herausziehen. Rosafarben und angeschlagen wie eine alte chinesische Puppe, mit Lederzungen und Stahlschnallen: eine Prothese, ein künstlicher Fuß.
Der Hund hörte sie als erster. Er warf den Kopf hoch, wandte sich ab und trottete den Rasen hinauf zum Haus. Sofort ließ März. seine Entdeckung ins Wasser zurückfa l len und rannte hinter dem Hund her. Er verfluchte seine Dummheit und arbeitete sich um die Seite des Hauses v o ran, bis er im Schatten der Türme stand und das Tor sehen kon n te. Der Hund sprang an dem Eisengitter hoch und grunzte durch seinen Maulkorb. Auf der anderen Seite konnte er zwei Gestalten ausmachen, die da standen und zum Haus hinaufblickten. Dann erschien eine dritte mit einem großen Bolzenschneider, den er am Schloß ansetzte. Nach zehn S e kunden Druck gab es mit lautem Krachen nach.
Der Hund wich zurück, als die drei Männer nacheina n der das Grundstück betraten. Wie März trugen sie die schwarzen Uniformen der SS. Einer schien etwas aus se i ner Tasche zu nehmen und ging mit ausgestreckter Hand auf den Hund zu, als biete er ihm etwas zu fressen an. Das Tier duckte sich. Ein einzelner Schuß sprengte die Stille, hallte auf dem Grundstück wider und jagte einen Schwarm Krähen krächzend aus dem Wald hoch in die Luft.
Der Mann schob den Revolver in seinen Halfter und winkte einen seiner Gefährten zu dem Hund, der ihn an den Hinterleinen ergriff und ins Gebüsch zerrte.
Alle drei Männer gingen auf das Haus zu. März blieb hinter der Säule stehen, um die er sich langsam heru m schob, während sie die Auffahrt heraufkamen, und hielt sich so in Deckung. Ihm fiel ein, daß er keinen Grund ha t te, sich z u verstecken. Er konnte den Ge stapo-Männern sagen, daß er das Grundstück durchsucht habe, daß ihn J ä gers Nachricht nicht erreicht habe. Aber etwas in ihrem Benehmen, die Rücksichtslosigkeit, mit der sie sich des Hundes entledigt hatten, warnte ihn davor. Sie waren schon vorher hier gewesen.
Als sie näher kamen, konnte er ihre Ränge erkennen. Zwei Sturmbannführer und ein Obergruppenführer - zwei Majore und ein General. Welche Art von Staatssicherheit konnte die persönliche Aufmerksamkeit eines richtigen Gestapo-Generals erfordern? Der Obergruppenführer war in seinen späten Fünfzigern, gebaut wie ein Ochse, mit dem zerschlagenen Gesicht eines ehemaligen Boxers. März kannte sein Gesicht vom Fernsehen, aus den Zeitungen. Wer war denn das?
Dann erinnerte er sich. Odilo Globocnik. In der SS als Globus bekannt. Der frühere Gauleiter von Wien. Es war Globus, der den Hund erschossen hatte.
»Sie - Erdgeschoß«, sagte Globus. »Sie - Rückseite kontrollieren.«
Sie zogen ihre Pis tolen und verschwanden im Haus. März wartete eine halbe Minute, dann brach er zum Tor auf. Er drückte sich an den äußersten Rändern des Gartens entlang, vermied die Auffahrt und suchte sich statt dessen, tief gebeugt, seinen Weg durch das Dickicht der Büsche. Fünf Meter vor dem Tor hielt er, um Luft zu holen. In den Torpfosten zur rechten Hand war so unauffällig, daß er kaum erkennbar war, ein rostiger Metallbehälter eingela s sen - ein Briefkasten -, in dem ein großes braunes Päckchen lag. Das ist Wahnsinn, dachte er. Absoluter Wahnsinn.
Er rannte nicht zum Tor. Nichts, wußte er, zieht das menschliche Auge so an wie eine plötzliche Bewegung. Statt dessen zwang er sich, ganz beiläufig aus den Büschen zu schlendern, als sei das die natürlichste Sache der Welt, nahm das Päckchen aus dem Briefkasten und bummelte durch das offene Tor hinaus.
Er wartete darauf, einen Ruf hinter sich zu hören oder einen Schuß. Aber der einzige Laut war das Rascheln des Windes in den Bäumen. Als er seinen Wagen erreichte, stellte er fest, daß seine Hände zitterten.
DREI
»Warum glauben wir an Deutschland und den Führer?«
»Weil wir an Gott glauben, glauben wir an Deutschland, das ER in Seiner Welt
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