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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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meinen es ernst, glaub mir. Es wird j e den Augenblick in Schwanenwerder von Gestapo wi m meln.«
    März starrte auf das Haus. Es war vollkommen still und verlassen. Scheiß auf die Gestapo.
    In dem Augenblick traf er seine Entscheidung. Er sagte: »Ich kann dich nicht hören, Max. Tut mir leid. Die Verbi n dung is t zusammengebrochen.Ich habe nichts von dem ve r standen, was du gesagt hast. Bitte melde Ve rsagen des Funkgerätes. Aus.« E r schaltete den Empfänger aus.
    Ungefähr dreißig Meter vor dem Haus war März auf der rechten Seite an einem Pfad mit einem Tor vorbeigeko m men, der in den Wal d führte, der in der Mitte der Insel war. Jetzt legte er den Rückwärtsgang ein, stieß schnell dorthin zurück und parkte ein. Er trabte z u Bühlers Tor zurück. Er hatte nicht viel Zeit.
    Das Tor war verschlossen. Damit hatte er gerechnet. Das Schloß war ein solider Metallblock. Er zwängte seine Sti e felspitze in das To r und kletterte hoch. Über seinem Kopf war eine Reihe von Eisenspitzen, dreißig Zentimeter ause i nander, das ganze Tor entlang. E r packte mit jeder Hand eine und zog sich hoch, bis er ein Bein hinübe r schwingen konnte. Ein riskantes Unternehmen. Einen A u genblic k saß er rittlings auf dem Tor und versuchte, zu Atem zu kom n ten. Dann ließ er sich auf der anderen Seite auf den Kie s weg fallen.
    Das Haus war groß, von eigenartigem Schnitt. Es hatte drei Stockwerke, die ein steiles Dach aus blauem Schiefer überdeckte.
    Zur Linken standen die zwei Steintürme. Sie waren mit dem Hauptgebäude verbunden, an dem ein Balkon mit steinerner Balustrad e entlang des ganzen ersten Stockwerks lief. Den Balkon trugen Säulen. Hinter diesen lag, halb im Schatten verbo r gen, de r Haupteingang. März lief auf ihn zu. Buchen und Föhren standen in ungepflegtem Durche i nander entlang der Auffahrt. Die Kante n waren vernachlä s sigt. Welke Blätter, die seit dem Winter nich t mehr z u sammengefegt worden waren, wehten über den Rasen.
    Er blieb zwischen den Säulen stehen. Die erste Überr a schung.
    Die Eingangstür war nicht verschlossen.
    März stand in der Diele und sah sich um. Zur Rechten eine eichene Treppe, zur Linken zwei Türen, geradeaus ein düsterer Flur, der vermutlich in die Küche führte.
    Er probierte die erste Tür. Hinter ihr war ein holzgetäfe l tes Speisezimmer. Ein langer Tisch und zwölf hochle h nige, geschnitzte Stühle. Kalt und muffig vom Nichtg e brauch.
    Die nächste Tür führte ins Wohnzimmer. Er setzte seine geistige Bestandsaufnahme fort. Brücken auf poliertem Parkett. Schwere Möbel, reich mit Brokat gepolstert. Gob e lins an den Wänden, und zwar gute, auch wenn März nicht gerade ein Kenner war. Am Fenster stand ein großes Piano mit zwei großen Fotografien darauf.
    März hielt eine in das Licht, das schwach durch die staubigen Butzenscheiben schien. Der Rahmen war aus schwerem Silber, mit einem Hakenkreuzmotiv. Das Bild zeigte Bühler und seine Frau an ihrem Hochzeitstag, wie sie eine Treppe zwischen einer Ehrenwache von SA-Männern herunterkamen, die Eichenzweige über das glüc k liche Paar hielten. Bühler war ebenfalls in SA-Uniform. Seine Frau trug Blumen ins Haar geflochten und war - um einen Lieblingsausdruck von Max Jäger zu verwenden - so häßlich wie eine Kiste Kröten. Keiner von beiden lächelte.
    März nahm die andere Fotografie auf und spürte sofort seinen Magen schlingern. Da war wieder Bühler, der sich diesmal leicht verneigte und eine Hand schüttelte. Der Mann, der der Gegenstand dieser Ehrerbietung war, hatte sein Gesicht halb der Kamera zugewendet, als ob er wä h rend der Begrüßung von etwas hinter der Schulter des F o tografen abgelenkt worden wäre. Da war eine Inschrift. März fuhr mit dem Finger durch den Schmutz auf de m Glas, um die hingekritzelte Schrift zu entziffern. »Dem Parteigenossen Bühler«, lautete sie. »Adolf Hitler, 17. Mai 1945.« Plötzlich hörte März ein Geräusch. Als ob gegen eine Tür getreten würde, und dem folgte ein Jaulen. Er stellte die Fotografie zurück und ging zurück in die Diele. Das Geräusch kam vom anderen Ende des Flurs.
    Er zog die Pistole und schlich sich den Korridor hinab. Wie er vermutet hatte, führte er zur Küche. Da, wieder das Geräusch. Ein Schrei des Entsetzens und ein Trappeln von Füßen. Außerdem war da noch ein Geruch - irgendwie nach Schmutzigem. Am anderen Ende der Küche war eine Tür. Er streckte den Arm aus und ergriff die Türklinke und riß dann mit einem Ruck die Tür

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