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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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nach neun. Er sagte, er müsse meinen Mann spr e chen. Ich habe ihm die Situation erklärt. Der Obergruppe n führer hat das sehr ernst genommen.«
    »Ich bin sicher, daß er das getan hat. Hat er Ihnen g e sagt, warum er Herrn Luther sprechen mußte?« »Nein. Ich nehme an, es war eine Parteiangelegenheit. Warum?«
    Plötzlich bekam ihre Stimme einen härteren Klang. »Wollen Sie andeuten, daß mein Mann etwas Falsches g e tan hat?« »Nein, nein ...«
    Sie zog sich den Rock über die Knie und glättete ihn mit üppig beringten Fingern. Es gab eine Pause, und dann sagte sie: »Herr Sturmbannführer, was ist eigentlich der Zweck dieser Unterredung?« »Ist Ihr Mann jemals in der Schweiz gewesen?« »Von Zeit zu Zeit, vor einigen Jahren. Er hatte da Geschäfte. Warum?« »Wo ist sein Reisepaß?«
    »Er ist nicht in seinem Arbeitszimmer. Das habe ich aber schon alles mit dem Obergruppenführer durchgespr o chen. Martin hat seinen Reisepaß immer bei sich gehabt. Er sagte, er wisse nie, wann er ihn brauche. Das war seine Schulung aus dem Außenministerium. Wirklich, daran gibt es nichts Ungewöhnliches, bestimmt nicht ... «
    »Verzeihen Sie, gnädige Frau.« Er drängte weiter. »Die Alarmanlage. Ich hab sie bemerkt, als ich hereinkam. Sie sieht neu aus« Sie blickte hinab in ihren Schoß. »Martin hat sie letztes Jahr anbringen lassen. Wir hatten Eindringli n ge.« »Zwei Männer?«
    Sie sah überrascht auf. »Woher wissen Sie das?«
    Das war ein Fehler gewesen. Er sagte: »Ich muß den B e richt darüber in der Akte Ihres Mannes gelesen haben.« »Unmöglich.« Die Überraschung in ihrer Stimme wich Mißtrauen. »Er hat das nie angezeigt.«
    »Warum nicht?«
    Sie war im Begriff, eine grobe Antwort zu geben - so etwas wie »Was geht denn Sie das an?« -, aber dann sah sie den Ausdruck in März' Augen und änderte ihre Meinung. Sie sagte mit resignierender Stimme: »Ich habe ihn ange f leht, Herr Sturmbannführer. Aber er wollte nicht. Und er wollte mir nicht sagen, warum nicht.« »Was ist gesch e hen?«
    »Es war im letzten Winter. Wir hatten vor, den Abend zu Hause zu verbringen. Da haben Freunde im letzten A u genblick angerufen, und wir sind zusammen zum Abende s sen ausgegangen. Bei Horcher. Als wir zurückkamen, wa r en zwei Männer in diesem Zimmer« Sie sah sich um, als ob sie immer noch irgendwo versteckt sein könnten. »Gott sei Dank waren unsere Freunde mit uns gekommen. Wenn wir allein gewesen wären ... Als sie sahen, da ß wir zu viert waren, sprangen sie aus dem Fenster da.« Sie wies über März' Schulter. »Also ließ er ein Alarmsystem an b ringen. Hat er noch andere Vorsichtsmaßnahmen ergri f fen?«
    »Er hat eine Wache angestellt. Vier Wachmänner insg e samt. Sie arbeiteten schichtweise. Er behielt sie bis nach Weihnachten. Dann beschloß er, daß er ihnen nicht mehr trauen könne. Er war dermaßen verängstigt, Herr Stur m bannführer.« »Wodurch?«
    »Das wollte er mir nicht sagen.«
    Heraus kam das Taschentuch. Ein weiterer Sherry wurde aus der Karaffe eingegossen. Ihr Lippenstift hatte dicke rote Schmierflecke am Rand ihres Glases hinterlassen. Sie glitt wieder auf den Rand des Weinens zu. März hatte sie falsch eingeschätzt. Sie fürchtete um ihren Mann, gewiß. Aber noch mehr fürchtete sie, daß er sie vielleicht betrüge. In ihrem Geist jagten einander die Schatten und hinterli e ßen Spuren in ihren Augen. War es eine andere Frau? Ein Verbrechen? Ein Geheimnis? War er aus dem Land gefl o hen? Für immer gegangen? Er empfand Mitleid mit ihr und erwog einen Augenblick lang, ihr zu sagen, daß die Gest a po gegen ihren Mann ermittelte. Aber warum ihr Elend vergrößern? Sie würde bald genug wissen. Er hoffte, daß der Staat das Haus nicht beschlagnahmen würde.
    »Ich werde ihn wohl nie mehr wiedersehen, oder?« »Doch«, sagte er. Nein dachte er.
    Es war eine Erleichterung, den dunklen und kränklichen Raum zu verlassen und in die frische Luft zu entkommen. Die Männer der Gestapo saßen immer noch in dem BMW. Sie beobachteten ihn, als er ging. Er zögerte einen Auge n blick und wandte sich dann nach rechts, zum Bahnhof B o tanischer Garten. Vier Wachmänner!
    Langsam begann er, es vor sich zu sehen. Ein Treffen in Bühlers Villa am Freitag morgen, an dem Bühler, Stuckart und Luther teilnahmen. Ein Treffen in Panik, alte Männer in Angstschweiß - und aus guten Gründen. Vielleicht hatte jeder von ihnen eine andere Aufgabe übernommen. Jede n falls war Luther am Sonntag nach Zürich

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