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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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schlich. Das war die erbarmungslose Gewalt einer Masch i ne. Sie zermalmte ihn. Stählerne Finger hatten jene Arterie gefunden - die sich März nie merken, geschweige denn finden konnte -, und er spürte, wie er sich der Gewalt e r gab, der rauschenden Schwärze, die alle Schmerzen au s löscht. Und er dachte: also bin ich auf Erden gewandelt, um so zu enden.
    Ein Krachen. Die Hände lösten sich, zogen sich zurück. März trieb wieder in den Kampf hinein, zumindest als Zu s chauer. Der Mann war zur Seite geschleudert worden, durch einen Hieb mit einem Stahlrohrstuhl gegen den Kopf. Blut zog sich als Maske über sein Gesicht, es pulste aus einem Schnitt über seinem Auge. Krachen. Wieder der Stuhl. Mit einem Arm versuchte der Mann, die Schläge abzuwehren, mit dem anderen wischte er sich krampfhaft die geblendeten Augen. Er begann, auf seinen Knien auf die Tür zuzukriechen, einen Teufel auf dem Rücken - eine zischende, speiende Furie, deren Klauen nach seinen A u gen krallten. Langsam, als ob er eine ungeheure Last schleppe, stemmte er sich auf ein Bein, dann auf das and e re. Alles was er sich noch wünschte, war wegzukommen. Er stolperte gegen den Türrahmen, drehte sich um und hämmerte seinen Peiniger gegen ihn - einmal, zweimal. Erst da ließ Charlotte Maguire ihn los.
    Nester von Schmerzen explodierten wie Feuerwerk: sein Kopf, die Rückseiten seiner Beine, seine Rippen, die Ke h le. »Wo haben Sie denn so zu kämpfen gelernt?«
    Er war in der kleinen Küche und beugte sich über das Spülbecken. Sie tupfte Blut aus dem Schnitt an seinem Hinterkopf. »Versuchen Sie mal als einziges Mädchen der Familie mit drei Brüdern aufzuwachsen. Dann lernen Sie zu kämpfen. Halten Sie still.« »Mir tun die Brüder leid. Autsch.« März' Kopf schmerzte am meisten. Blutiges Wa s ser tropfte auf fettige Teller wenige Zentimeter vor seinem Gesicht, und das ließ ihm übel werden. »Ich dachte, in Ho l lywood ist es üblich, daß der Mann das Mädchen rettet.« »Hollywood ist reine Scheiße, Sie legte ein frisches Tuch auf. »Das ist ziemlich tief. Bist du sicher, daß du nicht doch ins Krankenhaus willst?« »Keine Zeit.«
    »Wird der Mann zurückkommen?«
    »Nein. Jedenfalls vorläufig nicht. Vermutlich handelt es sich immer noch um eine Geheimaktion. Danke.« Er drückte das Tuch gegen seinen Hinterkopf und streckte sich. Als er das tat, entdeckte er einen weiteren Schmerz, an der Wurzel seines Rückgrats. »Geheimaktion.?«, wi e derholte sie. »Glauben Sie nicht, daß er ein einfacher Dieb war?« »Nein. Er war ein Profi. Ein authentischer, Gestap o geschulter Profi.«
    »Und ich hab ihn besiegt!« Das Adrenalin verlieh ihrer Haut ein Schimmern; ihre Augen sprühten. Ihre einzige Verletzung war eine Prellung an der Schulter. Sie war a t traktiver, als er sich erinnern konnte. Zarte Wangenkn o chen, eine kräftige Nase, volle Lippen, große braune A u gen. Sie hatte braunes Haar, das bis zum Nackenansatz g e schnitten war und das sie hinter die Ohren gekämmt trug. »Wenn sein Befehl gelautet hätte, Sie umzubringen, hätte er das getan.« »Wirklich? Und warum hat er es nicht g e tan?« plötzlich klang sie ärgerlich.
    »Sie sind Amerikanerin. Eine geschützte Art, vor allem jetzt.« Er sah sich das Tuch an. Der Blutstrom war zum Stillstand gekommen. »Unterschätzen Sie den Gegner nicht, mein Fräulein.«
    »Unterschätzen Sie mich nicht. Wenn ich nicht nach Hause gekommen wäre, hätte er Sie umgebracht.« Er b e schloß nichts zu sagen. Ihre Stimmung war offenbar auf dem Tiefpunkt.
    Die Wohnung war gründlich durchsucht worden. Ihre Wäsche hing aus den Schubladen heraus, ihre Papiere wa r en über den Schreibtisch und auf den Fußboden ve r streut, die Koffer waren umgedreht worden. Zwar dürfte es, dac h te er, auch vorher nicht besonders ordentlich gewesen sein: die schmutzigen Teller in der Spüle, das Durcheina n der von (meist leeren) Flaschen im Badezimmer, die vergi l benden Ausgaben der >New York Times< und von >T i me<, deren Blätter von der deutschen Zensur in Stre i fen geschnitten waren, wahllos an den Wänden aufgest a pelt. Das zu durchsuchen mußte ein Albtraum gewesen sein. Schwaches Licht sickerte durch schmutzige Netzvo r hänge. Alle paar Minuten bebten die Wände, wenn Züge vorbe i fuhren. »Gehört die Ihnen?« Sie zog die Luger unter einem Stuhl hervor und hielt sie zwischen Zeigefinger und Da u men hoch. »Ja. Danke.« Er nahm sie. Sie hatte eine beso n dere Gabe, daß er sich dumm vorkam.

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