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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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eine jung e en g lische Stimme. »I wanna hold your ha-a-and!« Und tausend junge Mädchen kreischten.
    Das Baur au Lac lag eine Straßenbreite vom See en t fernt. März bezahlte den Taxifahrer in Reichsmark - jedes Land auf dem Kontinen t nahm Reichsmark an, dies war Europas gemeinsame Währung - und ging hinein. Es war so luxuriös, wie Nebe versprochen hatte. Sei n Zimmer ko s tete ihn ein halbes Monatsgehalt.
    »Ein hübscher Ort für einen Verurteilten, dort eine Nacht zu verbringen ...«
    Als er sich ins Anmelderegister eintrug, erhaschte er an der Eingangstür einen Blitz aus Blau, dem rasch die re h braunen Regenmänte l folgten. Ich bin wie ein Filmstar, dachte März, als er in den Aufzug stieg. Wo immer ich hingehe, folgen mir zwei Detektiv e und eine Brünette.

    Er breitete einen Stadtplan auf dem Bett aus und setzte sich daneben, wobei er in die weiche Matratze einsank. Er hatte so wenig Zeit. Die Weite des Zürichsees stieß wie eine blaue Klinge in den Straßenkomplex hinein. Laut se i ner Kripo-Akte hatte Hermann Zaugg ein Haus in der Se e straße. März fand sie. Die Seestraße lief etwa vier Kilom e ter südlich des Hotels am Ostufer des Sees entlang. Jemand klopfte leise an die Tür. Eine Männerstimme rief seinen Namen.
    Was nun? Er ging durch das Zimmer und riß die Tür auf. Ein Kellner mit Tablett stand im Korridor. Er sah e r schreckt aus. »Entschuldigung. Mit den Empfehlungen der Dame von Nummer 277.«
    »Aha.« März trat beiseite, um ihn einzulassen. Der Kel l ner trat zögernd ein, als ob er fürchte, daß März ihn ve r prügle. Er setzte das Tablett ab, wartete noch kurz auf ein Trinkgeld und ging, als es keines gab. März schloß die Tür hinter ihm. Auf dem Tablett stand eine Flasche Glenfi d dich, mit einer Einwortnotiz. »Detente?«
    Er stand mit gelockerter Krawatte am Fenster, schlürfte den Malzwhisky und schaute hinaus über den Zürichsee. Girlanden gelber Laternen waren um das schwarze Wasser ausgespannt; auf seiner Oberfläche hüpften und blinkten rote, grüne und weiße nadelspitzkleine Lichter. Er zündete sich eine neue Zigarette an, die millionste dieser Woche.
    In der Auffahrt unter seinem Fenster lachten Leute. Ein Licht bewegte sich über den See. Keine Große Halle, keine marschierenden Kapellen, keine Uniformen. Zum ersten Mal seit - ja seit wann? Seit mindestens einem Jahr war er fort von Berlins Eisen und Granit. Also. Er hob sein Glas und betrachtete die fahle Flüssigkeit. Es gab also andere Leben, andere Städte. Er bemerkte, daß sie mit der Flasche zwei Gläser bestellt hatte. Er setzte sich auf den Rand des Bettes und sah aufs Telefon. Er trommelte mit den Fingern auf dem Tischchen herum.
    Wahnsinn.
    Sie hatte eine Art, die Hände tief in ihre Taschen zu ve r graben und dazustehen, den Kopf leicht zur Seite g e neigt, mit einem halbe n Lächeln. Er erinnerte sich, daß sie im Flugzeug ein rotes Wollkleid mit Ledergürtel getragen ha t te. Sie hatte schöne Beine, in schwarze n Strümpfen. Und wenn sie ärgerlich war oder erheitert, was sie meistens war, strich sie ihr Haar hinter ihre Ohren.
    Das Lachen draußen entfernte sich.
    »Wo haben Sie denn die letzten zwanzig Jahre ve r bracht?> Ihre verächtliche Frage an ihn in Stuckarts Wo h nung.
    Sie wußte so viel. Sie tanzte um ihn herum.
    »Die Millionen Juden, die im Krieg verschwunden sind...«.
    Er spielte mit ihrer Notiz herum, goß sich einen neuen Whisky ein und legte sich rücklings aufs Bett. Zehn Min u ten später nahm er de n Hörer hoch und sprach zur Vermit t lung.
    »Zimmer 277.«
    Wahnsinn. Wahnsin n
    Sie trafen sich in der Halle unter den Wedeln einer üpp i gen Palme.
    In der gegenüberliegenden Ecke schrammte ein Geige n quartett durch ein Fledermaus-Potpourri.
    März sagte: »Der Scotch ist wirklich gut.«
    »Ein Friedensangebot.«
    »Angenommen. Danke.« Er blickte hinüber zu der ältl i chen Cellistin. Ihre dicken Beine waren weit auseinande r gesetzt, als ob sie ein e Kuh melke. »Gott weiß, warum ich Ihnen trauen sollte.«
    »Gott weiß, warum ich Ihnen trauen sollte.«
    »Grundregeln«, sagte er fest. »Eins: keine Lügen mehr. Zwei: wir tun, was ich sage, ob Ihnen das paßt oder nicht. Drei: Sie zeigen mir,
    was Sie schreiben wollen, und wenn ich Sie bitte, das eine oder andere nicht zu schreiben, dann streichen Sie es. Einverstanden?«
    »Einverstanden.« Sie lächelte und bot ihm die Hand. Er nahm sie. Sie hatte einen kühlen, festen Griff. Zum ersten Mal bemerkte er, da ß sie

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