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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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»Papiere...«
    »Was?«Charlie, die auf ihn in dem Menschengewimmel wartete, fuhr erstaunt herum.
    »Das maß das Bindeglied gewesen sein, Papiere. Sie waren alle Beamte. Sie haben ihre Leben mit Papieren auf Papier gelebt.« Er stellte sie sich im Berlin der Kriegszeit vor - wie sie da nachts in ihren Büros saßen und in einer ewigen bürokratischen Schnitzeljagd Memoranden und Protokollnotizen umlaufen ließen, und sich aus Papieren eine Burg schufen. Millionen Deutscher hatten im Kriege gekämpft: in dem eisigen Schlamm der Steppen oder in den Wüsten Libyens oder im klaren Himmel Südenglands oder - wie März - auf See. Diese alten Männer aber hatten ihren Krieg gefühlt, und hatten geblutet und ihr mittleres Alter vergeudet: auf Papier. Charlie schüttelte den Kopf. »Ich versteh dich nicht.« »Ich weiß. Vielleicht versteh ich mich. Ich hab dir das hier gekauft.. Sie wickelte den Krug aus und lachte und drückte ihn ans Herz. »Ich werde ihn wie einen Schatz hüten.«
    Sie gingen rasch durch die Paßkontrolle. Hinter der Schranke drehte März sich zu einem letzten Blick um. Die beiden Schweize r Polizisten sahen vom Flugscheinschalter aus zu. Der e i ne von ihnen - der, der sie vor Zauggs Villa gerettet hatte - hob di e Hand. März winkte zurück.
    Ihre Flugnummer wurde zum letzten Mal aufgerufe n » Passagiere für den Lufthansaflug 227 nach Berlin bitte umgehend ...«
    Er ließ den Arm sinken und wandte sich dem Abflu g ausgang zu.

ZWEI
    Während dieses Fluges kein Whisky, dafür aber Kaffee - viel und stark und schwarz. Charlie versuchte, eine Zeitung zu lesen, schlief aber ein. März war zu erregt, um zu ruhen.
    Er hatte ein Dutzend leerer Seiten aus seinem Notizbuch gerissen, und sie dann in Hälften gerissen, und dann noch mal in Hälften. Nun hatte er die Stücke auf dem Plasti k tischchen vor sich ausgebreitet. Auf jedes hatte er einen Namen geschrieben, ein Datum, einen Vorfall. Jetzt sortie r te er sie unaufhörlich - den Anfang ans Ende, das Ende in die Mitte, die Mitte an den Anfang -, und eine Zigarette hing ihm von den Lippen, und Rauch umwirbelte ihn, und sein Kopf stak in den Wolken. Für die anderen Passagiere, von denen einige verstohlen und neugierig zu ihm hinblic k ten, mußte es aussehen, als ob er eine besonders irrsi n nige Form von Patience spielte.

    Juli 1942. An der Ostfront hat die Webrmacht ihre Op e ration »Blau< begonnen jene Offensive, die schlie ß lich den Krieg für Deutschland gewinnen wird. Amerika steckt von den Japanern schwere Prügel ein Die Briten bomba r dieren die Ruhr und kämpfen in Nordafrika. In Prag erholt Rei n hard Heydrich sich von einem Attentat s versuch.
    Also: Gute Tage für die Deutschen, vor allem für jene in den besetzten Gebieten Elegante Wohnungen, Geliebte, Bestechungen - Kisten voller Beute nach Hause zu schicken Korruption von oben bis unten; vom Gefreiten bis zum Kommissar; vom Alkohol bis zu Altären. Bühler, Stuckart und Luther haben eine besonders raffinierte Gaunerei au f gezogen.
    Bühler beschlagnahmt Kunstgegenstände im Genera l gouvernement, schickt sie unter falschen Bezeichnungen an Stuckart ins Innenministerium - besonders sicher, denn wer würde es wagen, die Post so mächtiger Diener des Reiches aufzumachen? Luther schmuggelt die Gegenstände ins Ausland, um sie zu verkaufen - wiederum sicher, denn wer würde es wagen, den Chef der Deutschlandabteilung des Außenministeriums aufzufordern, seine Koffer zu öf f nen? Alle drei gehen in den Fünfzigern in den Ruhestand, reiche und geachtete Männer. Und dann 1964: Katastr o phe.

    März sortierte seine Papierstückchen neu, und wieder neu.

    Am Freitag, dem 11. April, treffen sich die drei Ve r schwörer in Bühlers Villa, das erste Anzeichen, das auf Panik hindeutet… Nein. So stimmte das nicht. Er blätterte durch seine Notizen zurück, bis zu Charlies Bericht über ihr Gespräch mit Stuckart. Natürlich.

    Am Donnerstag, dem l0. April, am Tag vor dem Treffen, steht Stuckart in der Bülowstraße und notiert sich die Nummer des Telefons in der Zelle gegenüber der Wohnung von Charlotte Maguire.
    Damit geht er am Freitag in Bühlers Villa. Etwas Schreckliches bedroht sie, so daß die drei Männer das U n denkbare erwägen in die Vereinigten Staaten von Amerika zu desertieren. Stuckart legt das Verfahren fest. Der Bo t schaft können sie nicht trauen, weil Kennedy sie mit seinen Bescbwichtigern vollgestopft hat. Sie brauchen eine direkte Verbindung mit Washington. Stuckart hat

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