Vatermord und andere Familienvergnuegen
Tauben zu Hause gehen ihnen am Arsch vorbei.
Athen? Alles voller berittener Polizei, die nur mal stehen bleibt, damit ihre Pferde auf die Kopfsteinpflasterstraßen scheißen können - Pferdescheiße liegt da in solch gigantischen Haufen herum, dass man meinen könnte, es gäbe kein besseres Abführmittel als Heu.
Spanien? Die Straßen stinken wie in Pisse gebratene alte Socken - zu viele mit Pisse getaufte Katholiken. Das eigentliche Problem Spaniens ist aber, dass man ständig von Feuerwerksknallerei belästigt wird - der Sexgestank explodierender Fiestas, Salz in den Wunden deiner Einsamkeit.
Paris hingegen - wunderschön armselig hässlich opulent riesig komplex grau verregnet & französisch. Es gibt unglaubliche Frauen, Regenschirme, Bettler, Alleen, Fahrräder, Kirchtürme, Afrikaner, düstere Kathedralen, Balkone, zerbrochene Blumentöpfe, Grobheiten, die in alle Ewigkeit nachklingen, ziellose Fußgänger, prächtige Gärten, schwarze Bäume, schlechte Zähne, vornehme Läden, Sozialisten, die Intellektuellen unter den Rock fassen, protestierende Künstler, schlechte Autofahrer, Münztoiletten, aufdringlicher Käsegeruch, witzige Schals, nachhaltigen Körpergeruch in der Metro, vornehme Friedhöfe, geschmackvolle Transvestiten, durchsickerndes Licht, Slums, Schmutz, Begierde, kunstvolle Laternenpfähle, mehrfarbigen Schleim von Passivkettenrauchern, Wahnsinnige auf Cafeterrassen, hochgeschlagene Kragen, heiße Schokoladen, prunkvolle Wasserspeier, Samtbaretts, ausgemergelte Katzen, Taschendiebe, die mit den glitzernden inneren Werten reicher deutscher Touristen davonrennen & großartige phallische Monumente auf den Plätzen & Sexshops.
Es ist nicht nur ein Gerücht: In den Cafes sitzen eitle, arrogante Pariser mit übereinandergeschlagenen Beinen und philosophieren vor sich hin - aber wie kommt es, dass ich, wenn ich jemanden ein tolles philosophisches Statement von sich geben höre, dasselbe empfinde, wie wenn ich sehe, dass jemand seinem Hund eine Jacke angezogen hat?
Ich habe Carolines letzte Postkarte dabei. Typisch Caroline: »Bin in Paris« & eine Adresse, irgendein trostloser Vorort am Rand der Stadt. Ich werde hinfahren und ihr erzählen, dass mein Bruder tot ist, der Mann, den sie geliebt hat, und dann... Aber noch nicht jetzt - unbeholfene Liebeserklärungen bergen ein hohes Herzinfarktrisiko. Soll ich sie besuchen? Oder lieber warten? Das Problem mit den meisten Menschen ist, dass sie nie innerlich zerrissen wurden, nicht richtig, so wie ich, genau in der Mitte durch, sich nie selbst zerfleischt haben, nie beiden sich bekriegenden Teilen zugehört haben die beide ihren Standpunkt so überzeugend und einleuchtend vertreten & sie wissen nicht, wie es ist wenn dein Verstand & dein Körper jeweils zwei Dinge wollen, was vier unwiderstehliche Ideen gleichzeitig bedeutet.
Ich frage mich, ob ich mich speziell nach Caroline sehne oder einfach nach jemandem, der mich schon länger als fünf Minuten kennt.
4. Juni
Am Morgen von Kindergelächter geweckt - das hat mir einen Schrecken eingejagt. Schlimmer noch - entdeckte, dass über Nacht Entscheidung in meinem Kopf gefallen ist - heute wird Martin Dean Caroline Potts aufsuchen & ihr seine ewige Liebe & Verehrung gestehen. Ich bleibe im Bett und stopfe mir den Bauch mit Schmetterlingen voll. Dachte darüber nach, dass alle Entscheidungen über meinen zukünftigen Lebensweg stets Befehle des höchsten Vorgesetzten in der Hierarchie des eigenen Ich sind - was will man machen, wenn der Oberkommandierende persönlich Anweisungen brüllt? Ich duschte rasierte mich trank schalen Wein & zog mich an. Im Kopf zwei bruchstückhafte Erinnerungen an Caroline. 1. ihr Lächeln, allerdings nicht ihr lächelndes Gesicht, nur zwei losgelöste Zahnreihen. 2. ihre Handstände - der Schottenrock hängt ihr zu den Achseln runter -, mein Gott, wie diese harmlose kindliche Übung in mir den Wunsch geweckt hat, mich brutal, aber innigst auf sie zu stürzen.
Ging in den Bauch der Stadt. Dann erstickende Metrofahrt raus aus Paris. Sah vier pferdegesichtige Menschen. Vierzehnjähriger Rowdy hat versucht mir das Portemonnaie zu klauen und brachte mich darauf dass ich das französische Wort für He! nicht kenne.
Saß schließlich auf einem Steinmäuerchen gegenüber einem kleinen Mietshaus mit vielen Fenstern; alle Fensterläden waren geschlossen, als sollte es für immer sein. Schwer zu glauben, dass in dieser schäbigen Mietskaserne die Frau leben sollte, die ich liebe.
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