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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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Frau meine Avancen? Oder erwiderte sie sie sogar? Es müssen Hintergedanken dabei sein dachte ich. Sie will mich aus irgendeinem banalen Grund vielleicht um ihre Möbel umzustellen.
    »Möchtest du mich küssen?«, fragte sie plötzlich.
    »Damit können wir ja mal anfangen.«
    »Warum tust du es dann nicht?«
    »Und wenn du aufspringst und mir eine Szene machst?«
    »Werde ich nicht.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    »Bis dass der Tod uns scheidet?«
    »Nichts wäre ich lieber als tot.«
    »Überhaupt, oder wenn ich dich küsse?«
    »Was stimmt nicht mit dir?«
    »Ich weiß nicht. Achtung ich komme.«
    Ich beugte mich vor & sie grapschte meinen Kopf & ihre langen Fingernägel an meiner Wange waren schärfer als sie aussahen & wir küssten uns lange ich glaube wir machten irgendwas falsch weil unsere Zähne dauernd zusammenstießen. Als der Kuss vorbei war sagte sie lachend: »Ich kann deine Einsamkeit spüren - sie schmeckt wie Essig.«
    Das ärgerte mich. Es ist allgemein bekannt, dass Einsamkeit nach alter Kartoffelsuppe schmeckt.
    »Was schmeckst du an mir?«, fragte sie spielerisch.
    »Ich kann deinen Wahnsinn schmecken«, sagte ich.
    »Wonach schmeckt er?«
    »Blauschimmelkäse.«
    Sie lachte & klatschte in die Hände warf dann ihre Arme um mich & riss an meinem Haar dass es wehtat. »Lass los.«
    »Erst wenn du mich noch mal küsst. Ich will noch mehr von deiner Einsamkeit schmecken«, sagte sie laut. Ich war froh dass keiner in der Bar Englisch sprach - dieses irre Gefasel war peinlich & ich wollte nicht dass jemand im Cafe über die Geschmacksnote meiner einsamen Seele nachdachte.
    »Trinken wir noch ein Glas«, sagte ich.
    Wir saßen noch eine Stunde & tranken & ich verstümmelte einige meiner kohärentesten Gedanken indem ich sie in Worte fasste.
    Ich erinnere mich nicht wie wir in ihre Wohnung gekommen sind. Ich erinnere mich wie sie ihre Hände auf meine Arme legte während sie redete & und ich erinnere mich an Küsse auf der Straße & und daran einen unreifen Pfiff von irgendwoher gehört zu haben. Ich erinnere mich dass sie sagte ich soll aufhören zu pfeifen.
    Ich erinnere mich dass der Sex gut war. Um den Moment hinauszuzögern dachte ich an Massengräber & Spritzen & Zahnfleischschwund. Ich weiß nicht was sie dachte oder ob sie den Moment hinauszögern wollte.
    Es war inoffiziell mein erstes Mal. Offiziell auch.
    Jetzt 5 Uhr morgens. Sie ist vor mir eingeschlafen & ich schreibe das hier sehr betrunken & neben ihr im Bett. Oh wie auch immer dein Name lautet! Du schläfst tief wie ein wundervoller Kadaver & dein geisterhaft weißes Gesicht liegt dort aufs Kissen gebettet wie ein Stück vom Mond.
     
     
    Immer noch 1. Januar, später
    Beim Aufwachen ihren Atem in meinem Nacken gespürt. Die ganze Nacht lief in Technicolor in meinem Kopf ab. Ich zog mich ein Stück die Laken hoch & drehte mich um & betrachtete ihre dunklen Augenbrauen & großen Lippen & ihr langes braunes Haar & ihren dünnen Körper & ihre kleinen Brüste & ihr schönes knochiges Gesicht noch immer so kalkweiß. Ich wollte aus dem Bett ohne sie aufzuwecken & sah mich im Raum nach etwas in Armlänge um das in etwa der Dichte meines Körpers entsprach um mich zu ersetzen sah aber nur einen Kleiderständer den ich aus Respekt für mein Selbstbild unberücksichtigt ließ. Ich erhob mich aus dem Bett & zog mich leise an. Sie ist die erste Frau m. der ich je geschlafen habe. Sie ist eine zarte Blume dachte ich als ich aus der Tür schlüpfte.
    Der Geruch von Paris in meinem Mund, Pfefferminz mit weichem Kern. Der Himmel ein riesiges fremdes Land. Die sinkende Sonne in meinen Augen, aber zu glücklich zu blinzeln. Muss den ganzen Tag tief geschlafen haben - der Schlaf eines menschlichen Körpers allen Samens entleert?
    Ich bin nach der Eroberung vom Vorabend größer in mein Cafe zurückgekehrt. Bin ich erobert worden? Sie die Eroberin? Der Mond ist gerade aufgegangen. Ich bin träge & verkatert, das warme Gefühl wohltuender Verausgabung schwindet langsam. Züge meines alten, jämmerlichen Ich kehren heim.
    Ich weiß, ich werde sie nie wiedersehen.
     
     
    2. Januar (Nacht)
    Habe sie wiedergesehen. Sie kam ins Cafe & setzte sich mir gegenüber. Mein Gehirn suchte verzweifelt nach Entschuldigungen warum ich mich aus ihrer Wohnung geschlichen habe aber sie brauchte gar keine - sie redete einfach drauflos mit ihrem komischen Akzent als seien wir verabredet gewesen. In ihren Augen las ich dass sie sich freute mich zu sehen. Das

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