Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
Vom Netzwerk:
überraschte mich. Dann merkte ich dass sie sich nicht darüber freute dass mich ihre Freude überraschte. Dann verfiel sie in betretenes Schweigen & grinste m. Schmerz dahinter & versuchte mich anzustarren aber ihre Augen guckten weg.
    Sie räusperte sich & sagte mit unsicherer Stimme der beste Weg Franzosen in Verlegenheit zu bringen sei über Geld zu reden. Als ich immer noch nichts erwiderte sagte sie: »Ich will dich nicht stören. Lies ruhig weiter« & sie holte ein Skizzenbuch & einen Bleistift aus ihrer Tasche & begann mein Gesicht zu zeichnen & bestellte einen Kaffee & trank ihn langsam während sie mich m. seltsamen großen Augen anstarrte.
    War ihr dankbar dass sie mir meine Jungfräulichkeit genommen hatte aber die war nun weg & ich sah keine weitere Verwendungsmöglichkeit für sie. Man geht ja nach erfolgreicher Operation auch nicht mit dem Arzt essen, warum auch?
    »Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn du meinen Kopf anstarrst, als wäre ich eine Skulptur.«
    Sie musste kichern.
    »Hast du Lust auf einen Spaziergang?«, fragte sie. Kopf flüsterte Nein. Mund sagte Ja.
    Auf dem Weg nach draußen erzählte sie mir dass sie Astrid heiße & ich nannte ihr meinen Namen & ich fragte mich ob ich nicht besser einen falschen angegeben hätte aber da war es schon zu spät.
    Jardin du Luxembourg. Kalt & windig & kahle Bäume drohend vor weißem Himmel. Sie trat in einen Laubhaufen dass die Blätter im Wind wirbelten ein Akt kindlicher Freude der bei ihr gewalttätig aussah. Sie fragte mich wie groß ich sei. Ich tat das m. höhnischem Achselzucken ab - immer mal wieder stellt mir jemand diese saudumme Frage & ist dann baff dass ich es nicht weiß. Wozu auch? Die Kenntnis der eigenen Größe dient keinem anderen sinnvollen Zweck in unserer Gesellschaft, als ebendiese Frage zu beantworten.
    Ich stellte ihr persönliche Fragen sie wich mir aus & ihr Blick fiel auf mich wie kalter Regen. Woher sie stamme? Ihre Familie sei immer unterwegs gewesen sagte sie - Spanien Italien Deutschland Bukarest die Malediven. Aber wo sei sie geboren? »Unterwegs«, sagte sie mit halb geschlossenen Augen. Ihre Familie hat sie schlecht behandelt & sie will nicht zu ihr zurückkehren nicht einmal in Gedanken. Auch die Zukunft sei ein unerträgliches Thema. Wo sie denn hinwolle? Was sie vorhabe? Sie schüttelte den Kopf wie um zu sagen dass es die falschen Fragen seien.
    Dann begann sie mich mit aufgeregter Stimme mit langatmigen historischen Erläuterungen zu langweilen. Ehrlich was juckt es mich, ob sich Louis XVI am Morgen seiner Hinrichtung beim Rasieren geschnitten hat? Will ich wirklich wissen dass ein Augenzeuge an Jeanne d'Arcs Scheiterhaufen gehört hat wie sie in den Flammen mit Gott sprach und sagte: »Jetzt kannst du ja zufrieden sein! Ich habe dich nicht verleugnet!« & dass Gott geantwortet hat: »Dummes Weibsbild!« Was interessiert es mich, was diese Leute glauben? Ich lese zwar gerne Historisches, aber letztlich sträubt sich doch etwas in mir darüber belehrt zu werden als wäre ich ein etwas zurückgebliebener Schüler dem man nicht zutraut ein Buch in die Hand zu nehmen.
    Als habe sie meinen Überdruss gespürt wurde sie still & richtete ihren Blick zu Boden & ich dachte sie könnte eine sein die klammert. Mir kam der Gedanke wenn ich nicht auf der Stelle von ihr wegkäme müsste ich sie später mit einer Zeckenzange entfernen aber sie lud sich selbst zu mir ein & ich war einverstanden.
    Sie trat ein & stand in der Mitte des Zimmers und zwar so dass ich an Kühe & Pferde denken musste die im Stehen schlafen. Wir liebten uns im Dunkeln im Schlafzimmer nur manchmal beleuchtete das Mondlicht ihr Gesicht & ich sah dass ihre Augen nicht geschlossen sondern fest zugekniffen waren.
    Später sah ich zu wie sie vergnügt das Zellophan von einer neuen Zigarettenpackung pflückte als seien es Gänseblümchen. Sie schien nun entspannt & während sie rauchte, redete sie leidenschaftlich über alles worauf ihr Blick fiel: Decke & Fenster & Vorhänge & die verblasste Tapete als habe sie seit Jahrhunderten über diese Gegenstände nachgedacht & ich war beeindruckt von ihrem Wissen & ihren Erkenntnissen & fragte sie ob ihre Leidenschaftlichkeit typisch europäisch sei.
    »Nein, so bin ich eben«, sagte sie lächelnd.
    Dann fragte sie mich ob ich sie liebte.
    Ich habe lange Zeit darauf gewartet, dasselbe in aller Aufrichtigkeit zu Caroline zu sagen daher sagte ich Nein. Ich wollte noch mehr sagen sie so verletzen dass sie nie

Weitere Kostenlose Bücher