Vatermord und andere Familienvergnuegen
Labyrinth im Labyrinth, redete auf sie ein. Sollte ich eingreifen? Sollte ich ihn bremsen? Sollte ich ihn verscheuchen? Und wenn, wie?
Wehe, er fragt sie über ihre Pillenunverträglichkeit aus, dachte ich, oder warum ihr geriffelte Kondome lieber sind als solche mit Geschmack. Nein, das würde er nicht wagen. Aber was immer er sagte, ich war mir absolut sicher, dass es mir mehr schaden als nützen würde. Nervös beobachtete ich die beiden noch ein paar Minuten, dann ging das Inferno weg, während er noch redete. Ein Glück für sie.
Am selben Abend waren wir im Pub. Es war voll an diesem Abend, und als ich unsere Getränke holen ging, wurde ich andauernd beiseitegedrängt. Alle belagerten die Theke und versuchten, den Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen. Einige besonders ungeduldige Gäste wedelten mit ihrem Geld herum, als wollten sie sagen: »Heda! Ich hab harte Währung. Bedien mich zuerst! Die anderen zahlen mit Eiern!«
Als ich zum Inferno zurückkam, sagte sie: »Wir müssen miteinander reden.«
»Ich dachte, wir reden schon miteinander.«
Darauf erwiderte sie nichts. Sie bestätigte oder bestritt nicht einmal, dass wir gerade miteinander geredet hatten.
»Auch egal«, sagte ich, »warum musst du voranschicken, dass wir miteinander reden werden, ehe wir miteinander reden? Du willst mit mir reden? Dann rede.« Ich begann, mich aufzuregen, weil ich mehr oder weniger wusste, was kommen würde. Sie würde mit mir Schluss machen. Der Winter hatte plötzlich in meinem Körper Einzug gehalten.
»Nur zu«, sagte ich. »Ich höre.«
»Du wirst es mir nicht besonders leicht machen, oder?«
»Natürlich nicht. Wofür hältst du mich, für einen Heiligen? Betrachtest du mich als einen besonders selbstlosen Menschen? Liebe ich meine Feinde? Arbeite ich freiwillig in Suppenküchen?«
»Halt den Mund, Jasper, lass mich nachdenken.«
»Erst willst du reden. Jetzt willst du denken. Hast du dir das nicht vorher überlegt? Hast du dir nicht wenigstens eine Rede zurechtgelegt, bevor du heute Abend damit rüberkommst? Sag nicht, dass du improvisierst! Sag mir nicht, dass du das alles aus dem Ärmel schüttelst!«
»Himmel noch mal! Sei doch mal eine Minute lang still!«
Wenn ich spüre, dass mir jemand einen emotionalen Tiefschlag versetzen will, kann ich nur schwer der Versuchung widerstehen, mich wie ein Fünfjähriger zu benehmen. In diesem Moment zum Beispiel konnte ich mich gerade noch bremsen, die sechzig Sekunden laut herunterzuzählen.
»Ich glaube, wir brauchen eine Auszeit«, sagte sie.
»Und eine Auszeit bedeutet was - eine längere Beziehungspause oder den Abbruch der Beziehung?«
»Ich glaube, wir sollten uns nicht mehr sehen.«
»Hat das irgendwas mit meinem Vater zu tun?«
»Deinem Vater?«
»Ich habe heute Morgen gesehen, wie ihr miteinander geredet habt, nachdem du die Hütte verlassen hattest. Was hat er gesagt?«
»Nichts.«
»Er hat nicht nichts gesagt. Der Mann hat noch nie in seinem Leben nichts gesagt. Außerdem hast du dich schätzungsweise zehn Minuten mit ihm unterhalten. Hat er irgendwas gegen mich gesagt?«
»Nein... nichts. Ehrlich.«
»Was soll das hier dann? Ist es, weil ich deine Tränen getrunken habe?«
»Jasper... ich liebe Brian immer noch.«
Ich sagte nichts. Man musste kein Gehirnchirurg sein, um darauf zu kommen. Oder Atomwissenschaftler. Oder Einstein. Außerdem wüsste ich nicht, wieso Gehirnchirurgen, Atomwissenschaftler oder selbst Einstein so genial darin sein sollen, wenn es darum geht, den Weg durch das unwegsame Gelände menschlicher Emotionen zu finden. Und warum müssen es überhaupt immer Gehirnchirurgen, Atomwissenschaftler oder Einstein sein? Warum keine Architekten oder Staranwälte? Und warum nicht statt Einstein Darwin oder Heinrich Böll?
»Möchtest du nichts dazu sagen?«
»Du liebst deinen Exfreund noch. Ich muss nicht Heinrich Böll sein, um darauf zu kommen.« »Wer?«
Ich schüttelte den Kopf, stand auf und verließ das Pub. Ich hörte sie meinen Namen rufen, aber ich drehte mich nicht um.
Draußen brach ich in Tränen aus. Was für ein Stress! Jetzt würde ich reich und berühmt werden müssen, nur damit sie sich grämen konnte, weil sie mich abserviert hatte. Noch ein Ziel, das ich in diesem viel zu kurzen, hektischen Leben erreichen musste. Langsam summierte sich das.
Ich konnte nicht glauben, dass unsere Beziehung vorbei war. Und der Sex! Diese zufällige Vereinigung unserer Körper, aus und vorbei! Ich nahm mal an, es sei
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