Vatermord und andere Familienvergnuegen
nicht eine Frau wie Anouk. Wie konnte ich ihr beibringen, dass ich nie wieder von ihr kosten würde, besonders, da sie mir diese erhabene Befriedigung bereitete, wie man sie nur erfährt, wenn man Sklaven befreit oder mit einer wirklich erotischen, zehn Jahre jüngeren Frau schläft? Zum Glück fiel mir wieder ein, dass ich Caroline liebte, und das machte es mir möglich, zu Anouk hinüberzugehen und ihr Caroline zu zeigen. Caroline stand in ihrem roten Chiffonkleid in der Ecke des Saals und tat so, als wäre ich Luft für sie. Anouk wusste von unseren postkoitalen Beichtstunden, wer sie war, und ich klärte sie darüber auf, dass wir in einigen Wochen heiraten würden. Sie sagte nichts, ein lautes, unangenehmes Nichts, demgegenüber mein Monolog zunehmend lauter und zusammenhangloser wirkte.
»Wir wollen ja schließlich nicht unsere Freundschaft aufs Spiel setzen«, sagte ich.
Hinter der Maske ihres Lächelns wurde ihr Gesicht zu Granit. Sie lachte plötzlich auf, ein fürchterlich übertriebenes Lachen, das mich dazu veranlasste, unwillkürlich einen Schritt zurückzutreten. Und noch ehe ich etwas sagen konnte, mit dem ich mich noch mehr in die Scheiße hineinritt, wollte auf einmal der ganze Saal meine Rede hören.
Es war so weit. Zeit, meinen Plan in die Tat umzusetzen. Ich betrat die Bühne. Du hast sie schließlich reich gemacht. Das Gewicht meines Kopfs lag irgendwo zwischen dem eines Wassertröpfchens und dem einer Gallone Luft. Wer würde denn den Mann, der einen zum Millionär gemacht hat, nicht lieben? Du kannst nicht verlieren. Ich stand reglos da und stierte benommen auf das erwartungsvolle Publikum.
Ich suchte im Publikum Caroline, die mir aufmunternd zunickte. Daraufhin kam ich mir erst recht erbärmlich vor. Und dann sah ich Jasper. Ich hatte nicht gewusst, dass er kommen würde, hatte ihn auch nicht kommen sehen. Zum Glück hatte er denselben Gesichtsausdruck wie ein Hund, dem man weismacht, man habe einen Ball geworfen, obwohl man ihn noch in der Hand hält. Das gab mir den nötigen Auftrieb.
Ich räusperte mich, obwohl dies gar nicht nötig war, und legte los.
»Ich danke euch. Ich nehme euren Applaus und eure Bewunderung entgegen. Ihr giert danach, euren Gefängnissen zu entkommen, und ihr glaubt, indem ich euch reich gemacht habe, hätte ich euch befreit. Das habe ich nicht; ich habe euch aus euren Zellen heraus und auf in den Gang gelassen, mehr nicht. Das Gefängnis ist noch da, euer Gefängnis, von dem ihr gar nicht wisst, wie sehr ihr es liebt. Na gut. Sprechen wir über mich und mein Verhältnis zum Sozialneid. Dieses heikle Thema gehen wir am besten direkt an. Reißt mir nur nicht den Kopf ab, ihr Scheißer. Ihr liebt mich heute, aber morgen werdet ihr mich hassen. Ihr wisst ja, wie ihr seid - oder vielmehr, ihr wisst es nicht. Darum möchte ich der ganzen Nation eine ungewöhnliche Aufgabe stellen. Diese Aufgabe lautet: mich auf immer und ewig zu lieben. Okay? In diesem Geiste möchte ich eine Ankündigung machen. Mein Gott, mein ganzes Leben ist auf genau diesen Moment zugelaufen, selbst noch als ich vor fünf Minuten auf dem Klo war. Aber jetzt kommt's. Ich stelle mich zur Wahl für den Senat. Ganz richtig, Australien, ich stelle dir meine sinnlos verschwendeten Gaben zur Verfügung! Mein ungenutztes Potenzial! Die ganze Zeit über habe ich eine unwürdige Existenz geführt, und nun biete ich sie euch dar! Ich möchte Mitglied eures fürchterlichen Parlaments werden und an der kollektiven Volksverdummung teilhaben! Ich möchte mich unter die Schweine begeben, warum auch nicht? Ich bin schließlich arbeitslos, und Senator ist ein Job, der so gut oder so schlecht ist wie jeder andere, oder? Nur damit ihr es wisst, ich bin keiner Partei verpflichtet. Ich trete als Parteiloser an. Und ich werde ehrlich zu euch sein. Für mich sind die Politiker unseres Landes ein beständiges Ärgernis, und ich kann es nicht fassen, dass all diese unerträglichen Gestalten tatsächlich gewählt worden sind. Was können wir daher über Demokratie anderes sagen, als dass sie als System nicht dazu taugt, die Leute für ihre Lügen zur Verantwortung zu ziehen? Die Befürworter dieses unzulänglichen Systems geben uns zur Antwort: Na, dann straft sie doch bei den Wahlen ab! Aber wie können wir das, wenn der einzige Gegenkandidat höchstwahrscheinlich auch nur einer in einer langen Ahnenreihe ebenso unwählbarer, unterbelichteter Ganoven ist, mit dem wir dann doch wieder einen Lügner ins Parlament holen,
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