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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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musste.
    Was ist das? Ich höre ein Auto. Scheiße. Ich höre Schritte. Das unheimliche Klacken von Schuhsohlen! Da, sie bleiben stehen. Jetzt hör ich es klopfen! Jemand ist an der Tür! Selbstmord? Gefängnis?
     
    Wer hätte das gedacht: eine dritte Möglichkeit!
    Ich muss rasch zum Schluss kommen. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit.
    Ich kam aus dem Schlafzimmer und sah, wie Caroline wie ein großer magerer Hund zusammengerollt auf dem Sofa lag. »Nicht aufmachen«, sagte sie, ohne es laut auszusprechen; sie bewegte nur die Lippen. Ich zog meine Schuhe aus und schlich zur Tür. Die Dielen unter mir beschwerten sich. Ich biss die Zähne zusammen, machte noch ein paar knarrende Schritte und guckte durch den Türspion.
    Anouk, Oscar Hobbs und Eddie standen mit großen, konvexen Köpfen draußen. Ich öffnete die Tür. Sie kamen hastig herein.
    »Okay. Ich habe mit einem Freund bei der Bundespolizei gesprochen«, sagte Oscar. »Ich habe einen Tipp bekommen. Sie wollen dich morgen verhaften.«
    »Vormittags oder nachmittags?«, fragte ich.
    »Macht das einen Unterschied?«
    »Einen kleinen. Ich kann in fünf, sechs Stunden noch viel erledigen.« Das war bloße Prahlerei. Ich habe noch nie in fünf, sechs Stunden irgendwas fertig bekommen. Ich brauche immer acht.
    »Und was will der hier?«, fragte ich und zeigte auf Eddie.
    »Wir müssen dich hier wegschaffen«, sagte Eddie.
    »Du meinst - abhauen?«
    Eddie nickte so heftig, dass sich seine Fersen vom Boden hoben.
    »Tja, wie kommst du darauf, dass ich mit dir zusammen türmen würde, sollte ich mich dazu entschließen, abzuhauen? Und wo sollen wir überhaupt hin? Ganz Australien kennt mittlerweile mein Gesicht, und es ist keines, das den Leuten gefällt.«
    »Thailand«, sagte Eddie. »Tim Lung hat angeboten, dich zu verstecken.«
    »Dieser Ganove! Wie kommst du auf die Idee...«
    »Du wirst hier im Gefängnis sterben, Marty.«
    Das entschied den Streit. Nicht einmal ich würde ins Gefängnis gehen, nur um Eddie sagen zu können, er solle sich verpissen. »Aber man wird uns am Flughafen aufhalten. Die lassen uns nie im Leben aus dem Land.«
    »Hier«, meinte Eddie und gab mir einen braunen Umschlag. Ich sah hinein und zog den Inhalt heraus. Australische Reisepässe.
    Vier Stück. Einer für mich, einer für ihn, einer für Caroline und einer für Jasper. Unsere Fotos stimmten, aber es standen andere Namen drin. Jasper und ich waren Kasper und Horace Flint, Caroline war Lydia Walsh und Eddie ein Aroon Jaidee.
    »Wo hast du die denn her?«, fragte ich.
    »Mit schönem Gruß von Tim Lung.«
    Einem spontanen Impuls nachgebend, griff ich mir einen Aschenbecher und schleuderte ihn gegen die Wand. Das änderte nichts Wesentliches.
    »Aber das ist immer noch mein Gesicht in dem Pass da!«, brüllte ich.
    »Mach dir deswegen keinen Kopf«, sagte Eddie. »Ich hab schon alles geplant.«
    Caroline legte ihre Arme um mich, und wir bestürmten uns gegenseitig mit Fragen im Flüsterton, beide zu verschreckt, um auf die Wünsche des anderen einzugehen, und voller Angst, sie könnten sich widersprechen.
    »Möchtest du, dass ich mitkomme?«, fragte Caroline.
    »Was möchtest du denn?«
    »Werde ich dich auf der Flucht behindern? Wäre ich ein Klotz am Bein?«
    »Möchtest du hierbleiben?«, fragte ich müde.
    »Verdammt, Martin, sag mir einfach so oder so. Soll ich von hier aus deine Interessen vertreten?«, bot Caroline an; die Idee kam über ihre Lippen, kaum dass sie ihr durchs Gehirn gezuckt war. Ich begriff, dass ihre Fragen nur dürftig bemäntelte Antworten waren.
    »Caroline«, sagte Anouk, »wenn Martin abhaut, wird dir die Polizei keine ruhige Minute mehr lassen.«
    »Und die Öffentlichkeit genauso wenig«, ergänzte Oscar.
    Caroline litt. Ihr Gesicht schien länger zu werden wie ein Schatten. Ich sah widerstreitende Gedanken in ihren Augen flackern.
    »Ich hab Angst«, sagte sie.
    »Ich auch.«
    »Ich will dich nicht verlassen.« »Ich will nicht verlassen werden.« »Ich liebe dich.« »Ich dachte schon beinahe...«
    Sie legte mir einen Finger auf die Lippen. Normalerweise hasse ich es, wenn Leute mir den Mund verbieten, aber ich liebe es, wenn Frauen ihre Finger auf meine Lippen legen.
    »Wir fliehen gemeinsam«, hauchte sie atemlos.
    »Okay, wir kommen mit«, sagte ich zu Eddie. »Aber warum hast du auch einen Pass für Jasper besorgt? Der muss doch gar nicht untertauchen.«
    »Ich denke, es wäre besser für ihn«, sagte Eddie.
    »Wird er nicht machen.«
    »Wenn die

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