Vatermord und andere Familienvergnuegen
verlassen, und es ist eine heikle Sache, wieder Kontakt zu jemandem zu suchen, der einen verlassen hat; es ist sehr, sehr schwierig, dabei keine erbärmliche Figur zu machen. Ich hatte bereits zwei Anläufe unternommen, und beide Male hatte ich eine erbärmliche Figur gemacht. Beim ersten Mal brachte ich ihr einen BH zurück, den sie in meiner Hütte vergessen hatte, und beim zweiten Mal brachte ich ihr einen BH zurück, der angeblich ihr gehörte, den ich aber in Wirklichkeit am selben Tag im Kaufhaus gekauft hatte. Beide Male war sie nicht direkt erfreut gewesen, mich zu sehen - sie sah mich an, als hätte ich in ihrem Sichtfeld nichts zu suchen.
Beim dritten Mal ging ich zu ihr und klingelte Sturm. Ich weiß noch, dass es ein herrlicher Tag war, mit Streifen von faserigen Wolken, die sich im frischen Wind verflochten, in der Luft hing der Duft eines schweren Parfüms, wie es reiche Frauen gerne ihren Katzen auftragen.
»Was willst du?«, fragte sie barsch.
»Nichts. Bloß mit dir reden.«
»Ich kann nicht mehr über uns reden, weil es kein Uns mehr gibt. Na ja, ein Uns gibt es schon, aber das besteht nicht aus dir und mir. Es besteht aus mir und Brian.«
»Könnten wir nicht einfach Freunde sein?«, fragte ich (schon erbärmlich genug).
»Freunde«, antwortete sie langsam und so verwundert, als hätte ich sie gefragt, ob wir nicht einfach... Fische sein könnten.
»Na komm schon«, sagte ich. »Machen wir einen Spaziergang.«
»Lieber nicht.«
»Nur einmal um den Block?«
Sie gab nach, und während des Spaziergangs erzählte ich ihr alles über die Sache mit den Millionären, dass Eddie Dad in eine üble Sache hineingezogen hatte, indem er es so drehte, dass die meisten seiner Freunde unter den Gewinnern waren, und dass man ihn kreuzigen würde, wenn das jemals herauskäme.
Ich erinnere mich daran, dass ich ihr damals einfach wieder nahe sein wollte, wenn auch nur für einen Moment, und potenziell existenzvernichtende Geheimnisse auszuplaudern, erschien mir der geeignete Weg. Ich erreichte allerdings nichts damit. Tatsächlich war das kathartische Abladen von Geheimnissen zutiefst unbefriedigend.
»Dein Vater ist sowieso verrückt«, erklärte sie, als sei das irgendwie relevant. Als wir wieder vor dem Haus standen, kam sie zur Sache. Ich merkte das, weil sie meine Hand nahm. »Ich empfinde immer noch etwas für dich«, sagte sie. Ich wollte gerade etwas erwidern. Ich weiß das, weil ich schon den Mund geöffnet hatte. Doch sie kam mir zuvor. »Aber ich empfinde mehr für ihn.« Wenn ich das richtig verstand, konkurrierten wir also um die Intensität ihrer Gefühle. Brian kriegte all die großen ab; ich kriegte, was übrig blieb, die schalen Gefühle, kaum noch am Leben, kaum noch ansprechbar. Kein Wunder, dass ich nichts spürte.
Natürlich ließ ich sie schwören, niemandem von dem Geheimnis, das ich ihr verraten hatte, zu erzählen. Und natürlich erzählte sie es dem Mann, den sie liebte, denn ohne nachzudenken, hatte ich ihr eine sensationelle Topstory geliefert, mit der er seine vor sich hin dümpelnde Journalistenkarriere retten konnte.
War das also der Grund, warum ich mich Eddie, Dad und Caroline auf ihrer Flucht anschloss? Dass ich sühnen wollte? Vielleicht, aber andererseits, was hätte mich halten sollen? Ich hatte das schlimmste Jahr meines Lebens hinter mir. Nachdem das Flammende Inferno mich abserviert hatte, war ich aus Dads weitläufigem Labyrinth in einen Schlauch von Wohnung gezogen, die im Grunde nicht mehr war als ein besserer Flur mit Badezimmer und einem l-förmigen Raum am Ende, in dem ein schmales Einzelbett, und was man sonst noch an l-förmigem besaß, Platz fand. Der Umzug vom Busch in die Stadt hatte mich unerwartet und bedenklich aus dem Gleis gebracht. In meiner Hütte war ich nah bei Mutter Natur gewesen und hatte mich nie anstrengen müssen, mich wohlzufühlen. Nun, in der Stadt, fühlte ich mich wie abgeschnitten von meinen Lieblingshalluzinationen. Ich hatte mich selbst zurückgelassen. Von der Quelle verbannt, kam ich völlig ins Schwimmen.
Als Dad dann zu einer Person des öffentlichen Interesses wurde und die ganze Nation ihn verehrte, war sein Ruhm - ich gebe es zu - nicht leicht zu verkraften. Wie konnten zwanzig Millionen Menschen diese Nervensäge lieben? Noch vor sechs Monaten hätte er keine zehn Freunde für ein Abendessen zusammengekriegt! Aber dass die Welt vollends aus den Fugen geriet, kam erst noch: Eines schönen Nachmittags besuchte Dad mich in
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