Vatermord und andere Familienvergnuegen
Feldschlacht fehlte, und ein Shakespeare, dem es an Sprachgefühl mangelte. So langsam schienen wir zu begreifen, wer Dad war.
Dad stöhnte ausgiebig und starrte auf den Boden. Terry legte seine breite, kräftige Hand auf die Schulter seines Bruders.
»Ich will, dass du zugibst, dass du nicht weißt, wer du eigentlich bist, obwohl du schon so lange hier auf Erden lebst. Und wenn du nicht weißt, wer du bist, wie kannst du dann sein, was du bist?«
Dad blieb ihm eine Antwort schuldig und stieß nur ein weiteres Stöhnen aus, wie ein Tier, das seine Eltern gerade in der Schaufensterauslage einer Metzgerei besucht hat.
Ich ging ins Bett und fragte mich: Weiß ich, wer ich bin? Ja, das tue ich: Ich bin Kasper. Nein, ich meine Jasper. Vor allem aber: Ich bin nicht mein Vater. Ich verwandle mich auch nicht in meinen Vater. Ich bin nicht die verfrühte Wiedergeburt meines Vaters. Ich bin ich, mehr nicht. Nicht mehr, nicht weniger.
Von diesen Gedanken wurde mir übel, und ich hatte das Gefühl, die Übelkeit veränderte die Konturen meines Gesichts. Ich stieg aus dem Bett und starrte in den Spiegel. Ich sah weder schlechter noch besser aus, nur anders. Bald schon werde ich mich vielleicht gar nicht mehr wiedererkennen, dachte ich. Etwas Seltsames passierte mit meinem Gesicht, etwas, das nicht nur mit dem Älterwerden zusammenhing. Ich verwandelte mich in jemand anderen.
Von draußen drang ein lautes Geräusch herein. Irgendwer oder irgendwas war im Hühnerstall.
Ich sah hinaus, konnte aber durchs Fenster nichts erkennen, nur das Spiegelbild meines eigenen, leicht befremdlichen Gesichts. Ich machte das Licht aus, aber trotz des Mondscheins war es zu dunkel.
Da war das Geräusch wieder. Ganz sicher würde ich nicht rausgehen, um nachzusehen. Wer wusste schon, was für Kreaturen sich im Dschungel von Thailand herumtrieben und wie hungrig die waren? Ich konnte nur die Augen fest schließen und einzuschlafen versuchen.
Am nächsten Morgen setzte ich mich im Bett auf und blickte aus dem Fenster. Der Hühnerstall stand noch - ich hatte fast erwartet, ihn aus einem riesigen, sabbernden Maul hängen zu sehen. Ich lief zur Hintertür hinaus.
Das Gras unter meinen Sohlen war kalt und feucht. Die Luft schmeckte seltsam. Wie ein altes Minzbonbon, das schon nicht mehr viel Geschmack hatte. Ich näherte mich vorsichtig dem Stall, immer bereit, zurück zum Haus zu rennen, sollte mich ein Tier anspringen. Im Hühnerstall herrschte das reinste Chaos. Die Farbdosen waren geöffnet, und ihr Inhalt war über den Boden und mein in Fetzen gerissenes Bild mit dem schwebenden Gesicht vergossen worden. Wer hatte mein Bild zerstört? Und aus welchem Grund? Mir blieb nichts anderes übrig, als wieder zurück ins Bett zu gehen.
Ich war noch keine fünf Minuten im Bett, als ich jemanden atmen hörte. Ich schloss die Augen und tat so, als würde ich schlafen. Das nützte nichts. Das Atmen kam näher und näher, bis ich es im Nacken spürte. Ich hoffte, dass es nicht Eddie wäre. Er war es. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass er sich über mich gebeugt hatte. Ich fuhr hoch.
»Was willst du?«
»Jasper, was hast du heute vor?«
»Schlafen, hoffe ich.«
»Ich will ein wenig herumfahren und die Werbetrommel rühren.«
»Fein, dann einen schönen Tag noch.« »Ja, dir auch.«
Aber Eddie rührte sich immer noch nicht. Obwohl es anstrengend war, empfand ich Mitleid mit ihm. Anders kann ich es nicht sagen. Er sah aus, als habe er Liebeskummer.
»Du hast wohl keine Lust mitzukommen? Mir Gesellschaft zu leisten?«, fragte Eddie.
Das war keine angenehme Aussicht. Den ganzen Tag allein mit Eddie zu verbringen, fand ich nicht besonders reizvoll, und Kranke zu besuchen sogar noch weniger, aber am unangenehmsten war die Vorstellung, mit Dads rasselndem Tod allein im Haus zu bleiben.
Wir latschten in der erbarmungslosen Hitze kreuz und quer durch die Gegend. Und ich hatte gedacht, in Australien sei es heiß! Die Luftfeuchtigkeit in diesen Bergen schlug alle Rekorde - ich konnte spüren, wie sich Schweißperlen auf meiner Gallenblase bildeten. Wir fuhren umher und redeten nicht viel. Wenn Eddie schwieg, hatte ich immer das Gefühl, der einzige Mensch auf der Welt zu sein - wenn er redete, allerdings auch. Die Leute beobachteten uns. Sie konnten nicht begreifen, wieso ein gestandener Mann Mitte vierzig Arzt werden wollte - das war ein Verstoß gegen die natürliche Ordnung. Eddie versuchte, sich darüber hinwegzusetzen, aber es zermürbte ihn trotzdem.
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