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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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Dean bereithielt. Als wir eintraten, mieden wir die Blicke all der unfreundlichen Gesichter, die aussahen, als hätten sie einen Wutanfall aus Kindertagen für den Rest ihres Lebens konserviert. Vor uns öffneten sie eine Gasse. In der ersten Reihe hatten sie vier Plätze frei gelassen, und meine Eltern und ich nahmen auf dreien davon Platz. Terry war vernünftigerweise zu Hause geblieben und boykottierte die Verhandlung. Ich saß mit halb geschlossenen Augen auf dem unbequemen Holzstuhl und schielte auf die Fotografie an der Wand, die die Queen an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag zeigte. Auch sie wirkte von Furcht erfüllt. Die Queen und ich warteten ungeduldig, während die anderen Vorschläge verlesen wurden. Terry sparten sie sich bis zum Schluss auf. Dann kam es.
    »Ich bin dafür, Terry Dean in die psychiatrische Klinik in Portland zu schaffen, wo sich ein Team von Psychiatern um sein brutales, asoziales Verhalten kümmern soll.«
     
    Ich hastete aus dem Saal in einen unerwartet hellen Abend. Am Himmel über den verwaisten Straßen hing ein riesiger Mond, schon eher fett als voll. Nur der Klang meiner eiligen Schritte war in der Stadt zu hören, abgesehen vom Bellen eines Hundes, der mir, von meiner Panik angesteckt, ein Weilchen hinterherlief. Ich hörte nicht auf zu rennen, bis ich unser Haus erreichte - nein, ich hielt nicht mal da an. Ich stürmte durch die Haustür und zischte durch den Flur in unser Kinderzimmer. Terry saß auf dem Bett und las.
    »Du musst sofort hier weg!«, rief ich. Ich griff mir eine Sporttasche und warf Kleidungsstücke hinein. »Sie kommen! Sie wollen dich ins Irrenhaus stecken!«
    Terry schaute mich ruhig an. »Blöde Säcke«, sagte er. »War Caroline heute Abend da?«
    »Ja, war sie, aber -«
    Ich hörte jemanden durch den Flur rennen. »Versteck dich!«, flüsterte ich. Terry rührte sich nicht. Die Schritte hatten die Tür fast erreicht. »Zu spät!«, rief ich. Die Zimmertür flog auf, und Caroline platzte herein.
    »Du musst sofort abhauen!«, rief sie.
    Terry sah sie mit leuchtenden Augen an. Das brachte sie aus dem Gleichgewicht. Sie starrten einander an, regungslos, als wären sie zwei seltsam arrangierte Schaufensterpuppen. Den Raum erfüllte eine Spannung, die meine Person nicht miteinschloss. Das war ein Schock für mich. Terry und Caroline hatten etwas füreinander übrig? Wann war das denn passiert? Ich widerstand dem starken Impuls, mir ein Auge auszureißen und es ihnen hinzuhalten.
    »Ich helfe ihm packen«, sagte ich, und der Bann war gebrochen. Ich erkannte meine eigene Stimme nicht. Caroline mochte Terry, liebte ihn vielleicht sogar. Ich war empört. Ich hatte das Gefühl, im Regen der gesamten Welt zu stehen. Ich hüstelte ungeduldig. Keiner von beiden sah zu mir hin oder ließ in anderer Weise erkennen, dass er mich überhaupt wahrnahm.
    Sie setzte sich auf die Bettkante und trommelte mit den Fingern auf der Decke.
    »Du musst hier weg«, sagte sie.
    »Wohin gehen wir?«
    Ich schaute Caroline an und wartete ab, was sie darauf erwidern würde. »Ich kann nicht weg«, erklärte sie schließlich, »aber ich komm dich besuchen.«
    »Wo?«
    »Ich weiß nicht. Sydney. Geh nach Sydney.«
    » Und vor allem schnell!«, brüllte ich so laut, dass wir das erneute Getrampel im Flur überhörten.
    Es kamen zwei Männer herein - die besonders ungeduldige Vorhut des Lynchmobs. Sie spielten den rabiaten Taxiservice. Terry wehrte sich ohne Erfolg, während weitere Leute in unser Haus drängten, alle mit feindseligen, entschlossenen Mienen. Sie zerrten Terry nach draußen; sein Gesicht erschien im Mondlicht wie ausgeblutet.
    Caroline weinte nicht, sie hatte die Hand vor dem Mund und schien zwanzig Minuten lang keinen Atemzug zu machen, während ich mich wie ein Besessener heiser brüllte, weil meine Eltern nur hilflos danebenstanden.
    »Was macht ihr denn? Sie dürfen ihn nicht mitnehmen!«
    Meine Mutter und mein Vater duckten sich wie verschreckte Hunde. Sie hatten Angst, sich dem Befehl des Orakels und dem sich formierenden Willen ihrer Mitbürger zu widersetzen. Sie ließen sich von der öffentlichen Meinung in die Defensive drängen.
    Mein Vater sagte: »Es ist das Beste so. Er ist labil. Die wissen schon, wie sie ihn wieder hinbiegen.«
    Er unterzeichnete den notwendigen Papierkram, und meine Mutter sah ihm resigniert dabei zu. Beide hatten dumme, verbohrte Mienen aufgesetzt, die ich ihnen am liebsten mit dem Hammer vom Gesicht geschlagen hätte.
    »Es gibt nichts

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