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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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ausbeißt?«
    Harry guckte nach unten auf seine Füße. »Ich glaube, der Schlamm wird fest. Hilf mir raus«, sagte er und streckte mir seinen Arm hin, als stünde der zum Verkauf. Ich half ihm heraus, und er ließ sich auf einen kleinen Grashügel fallen.
    »Bring mir was zum Anziehen und ein Bier, wenn eins da ist. Schnell«, sagte er.
    Ich ging rein und schlich mich an den Schrank meines Vaters; er schlief mit dem Gesicht nach unten auf seinem Bett den tiefen Schlaf des Betrunkenen und schnarchte derart ohrenbetäubend, dass ich beinahe nachgesehen hätte, ob an seiner Nase Kabel und Verstärker angeschlossen waren. Ich nahm mir einen alten Anzug, dann holte ich Bier aus dem Kühlschrank. Als ich wieder nach draußen kam, steckte Harry erneut bis zu den Knöcheln im Schlamm.
    »Als Erstes täuschte ich also eine Krankheit vor: stechende Schmerzen im Bauchbereich. Was hätte ich sonst nehmen sollen? Rückenschmerzen? Mittelohrentzündung? Blut im Urin? Nein, sie mussten glauben, dass es um Leben oder Tod ging. Also heftige Bauchschmerzen, und sie schickten mich um 3 Uhr morgens auf die Krankenstation, wo nur ein Mann Dienst hat. Da bin ich also und krümme mich vor angeblichen Schmerzen. Gegen 5 geht der diensthabende Aufseher mal raus, um zu pinkeln. Ich springe aus dem Bett, breche den Medikamentenschrank auf und klaue alles, was ich an Tranquilizern in flüssiger Form kriegen kann. Als er zurückkommt, spritze ich ihn bewusstlos und gehe dann einen anderen Schließer suchen, der mir bei meinem Ausbruch hilft. Ich wusste, dass ich nie ohne die Hilfe eines Wärters rauskommen würde, aber diese Drecksäcke sind unbestechlich, die meisten jedenfalls. Nicht, dass sie nicht korrupt wären, sie können mich einfach nicht leiden. Aber ich hatte vor ein paar Wochen alle Gefälligkeiten eingefordert, die ich noch guthatte, und einen meiner alten Kumpel dazu gebracht, mir Informationen über die Familie eines bestimmten Schließers zu besorgen. Ich suchte mir einen von den jüngeren aus - Kevin Hastings heißt er, und er ist erst zwei Monate bei uns, sodass er vermutlich noch nicht seinen Arsch von seinem Ellbogen unterscheiden kann. Zum Totlachen, dass diese Typen immer glauben, im Gefängnis wären sie anonym. Wenn man denen steckt, dass man genau weiß, wie sie's ihrer Frau am liebsten machen, wie lange und so weiter, dann flippen die total aus. Na, Hastings erwies sich jedenfalls als ideale Wahl. Er hat eine Tochter. Ich hätte ihr natürlich nichts getan, aber ich musste dem Arschloch eine Heidenangst einjagen. Und auch wenn er nicht angebissen hätte, was hatte ich zu verlieren? Würden die sich wirklich die Mühe machen, mich noch mal zu lebenslänglich zu verknacken? Das hab ich doch schon sechsmal!« An dieser Stelle verstummte Harry für einen Moment, ging in sich und sagte dann ruhig: »Glaub mir, Marty, für immer und ewig, darin liegt Freiheit.«
    Ich nickte. Es klang einleuchtend.
    »Na ja, jedenfalls geh ich direkt zu Hastings und flüstere ihm zu: >Bring mich hier raus, oder deine süße kleine Tochter Rachel wird das Vergnügen mit einem sehr abartigen Bekannten von mir haben.< Er wurde käseweiß, gab mir die Schlüssel, ließ sich von mir eins über die Rübe ziehen, damit er nicht in Verdacht kommen würde, und das war's. Ich bin nicht stolz auf mich, aber es war ja nur eine Drohung. Wenn ich irgendwo sicheren Unterschlupf gefunden habe, rufe ich ihn an und sage ihm, dass seine Tochter nicht in Gefahr ist.« »Gut so«, sagte ich.
    »Und, wie geht's mit dir weiter, Marty? Du hast wohl keine Lust mitzukommen? Mein Komplize zu werden? Was meinst du?«
    Ich erzählte Harry von dem Pakt, den ich mit meiner Mutter eingegangen war und der es mir gegenwärtig verbot, die Stadt zu verlassen.
    »Moment, was für eine Art von Pakt denn?«
    »Na ja, eher so eine Art Schwur.«
    »Du hast deiner Mutter etwas geschworen?«
    »Und, was ist daran so komisch?«, fragte ich verärgert. Was war schon Großes dabei? Es war schließlich nicht so, als hätte ich gestanden, mit meiner Mutter zu schlafen, ich hatte lediglich versprochen, sie nicht allein zurückzulassen.
    Harry sagte nichts. Sein Mund stand halb offen, und ich spürte, wie sich sein Blick tief in meinen Schädel bohrte. Er klopfte mir mit der Hand auf die Schulter. »Na, ich kann dich ja kaum überreden, einen Schwur zu brechen, oder?«
    Dem stimmte ich zu.
    »Na dann, viel Glück, mein Junge«, sagte er, bevor er sich umwandte und im finsteren Busch

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