Vatermord und andere Familienvergnuegen
verschwand. »Man sieht sich«, rief seine körperlose Stimme. Und dann war er fort. Nach Terry hatte er nicht einmal gefragt.
Eine Woche später kam meine Mutter mit sensationellen Nachrichten in mein Zimmer. »Dein Bruder kommt heute nach Hause. Dein Vater holt ihn gerade ab«, erklärte sie, als wäre Terry ein lang erwartetes Paket. Terry war für uns in dem Jahr seiner Abwesenheit zu einer Art fiktiven Person geworden, und der Psychiater hatte meinem Bruder, indem er ihn auf einen Katalog psychologischer Symptome reduzierte, jegliche Individualität genommen. Es stimmt schon, die Komplexität seiner Psychose beeindruckte uns - er war ein Kollateralschaden in einem Krieg, der zwischen seinen niederen Instinkten tobte aber das warf auch eine Frage auf, die uns quälte: Welcher Terry würde zu uns nach Hause kommen? Mein Bruder, der Sohn meiner Mutter oder der hilflose Zerstörer, der verzweifelt nach Selbsttranszendenz strebte? Wir saßen wie auf glühenden Kohlen.
Auf den Anblick, den er bot, als er durch die Hintertür hereinkam, war ich nicht vorbereitet - er sah so vergnügt aus, als wäre er auf den Fidschis gewesen und hätte Margaritas aus Kokosnüssen geschlürft. Er setzte sich an den Küchentisch und fragte: »Und, was für ein Festmahl wollt ihr zur Heimkehr des verlorenen Sohnes auftischen? Ein schönes gemästetes Kalb?« Meine Mutter war so aufgelöst, dass sie jammerte: »Ein gemästetes Kalb? Wo soll ich das denn hernehmen?« Da sprang Terry auf, schloss sie in die Arme und wirbelte mit ihr durchs Zimmer, dass sie vor Angst fast schrie; so sehr fürchtete sie sich vor ihrem eigenen Sohn.
Nach dem Essen spazierten Terry und ich den schmalen Weg entlang, der zur Stadt führte. Die Sonne brannte auf uns nieder. Sämtliche Fliegen der Gegend kamen Terry begrüßen. Er wedelte sie beiseite und sagte: »So was kann man nicht, wenn man am Bett festgeschnallt ist.« Ich erzählte ihm die heiße Geschichte von Harrys Flucht und wie er an jenem Abend an meiner Schlammkuhle aufgetaucht war.
»Hast du auch Caroline gesehen?«, fragte Terry.
»Ab und zu.«
»Wie geht's ihr?«
»Gehen wir hin.«
»Warte. Wie seh ich aus?«
Ich musterte ihn kurz von Kopf bis Fuß und nickte. Wie immer sah er gut aus. Nein, besser als gut. Terry sah schon wie ein Mann aus, während ich, vom Alter her eher ein Mann, aussah wie ein kleiner Junge mit Progerie. Wir machten uns schweigend auf den Weg in die Stadt. Was sagt man zu jemandem, der gerade aus der Hölle zurück ist? »Hattest du es auch heiß genug?« Ich glaube, am Ende platzte ich mit etwas Banalem heraus wie: »Wie fühlst du dich?«, mit Betonung auf fühlst, und er murmelte: »Die Schweinehunde haben mich nicht kleingekriegt.« Ich wusste, dass er etwas durchgemacht hatte, über das er niemals reden würde.
Als wir in die Stadt kamen, starrte Terry jedem, dem wir begegneten, frech ins Gesicht. Verbitterung und Wut sprachen aus diesem Blick. Die »Behandlung« in der Klinik hatte offenkundig nicht dazu beigetragen, seinen Zorn zu besänftigen. Sie alle standen auf seiner Abschussliste. Terry hatte sich entschieden, unseren Eltern keinen Vorwurf wegen seiner Einweisung zu machen, aber sein Hass galt all denen, die dem Wort der Vorschlagsbox gefolgt waren.
Bis auf einen. Lionel Potts hopste mit rudernden Armen auf uns zu. »Terry! Terry!« Er war der Einzige in der Stadt, der sich freute, meinen Bruder zu sehen. Lionels ungezügelte, kindliche Begeisterung war die reine Wohltat. Er war der Typ Mensch, mit dem man übers Wetter reden konnte und danach gute Laune hatte. »Die Dean-Jungs, endlich wieder vereint! Wie geht's dir, Terry? Gott sei Dank bist du aus diesem Drecksloch raus. Ein beschissener Laden, was? Hast du dieser blonden Schwester meine Telefonnummer gegeben?«
»Tut mir leid, Kumpel«, sagte Terry. »Sie müssen sich schon selbst einweisen lassen, wenn Sie sich an die ranmachen wollen.«
Lionel hatte Terry also besucht.
»Mache ich vielleicht, Terry. Die sah aus, als wäre sie's wert. He, Caroline sitzt im Café und raucht. Sie tut so, als würde sie's vor mir verheimlichen, und ich tu so, als würde ich nichts merken. Hast du sie schon gesehen?«
»Wir sind gerade auf dem Weg zu ihr«, sagte Terry.
»Prima! Warte mal!« Lionel zog ein Päckchen Zigaretten hervor. »Das hier sind Lights. Versuch doch mal, ob du ihr die starken Marlboros abgewöhnen kannst. Wenn du nichts gegen eine kleine Verschwörung hast.«
»Kein Problem. Wie
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