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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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niemanden hören. Damals spazierten noch nicht ständig irgendwelche Seniorenwandergruppen auf den Gletschern herum. Die Gletscher waren unberührt und es schneite. Leise rieselten die Flocken an mir vorüber und machten mir klar, dass sich die Spalte, in der ich festsaß, bald wieder geschlossen hätte. Außerdem bekam ich Hunger.« Ganz so, als ob er den Hunger erneut spürte, griff Miguel nach einem Stück Pastete und schob sie sich auf einmal in den Mund.
    »Von Khemais hörte und sah ich nichts, ich hatte also genug Zeit und Muße, über Gott und die Welt zu sinnieren. Auch über Khemais und seine Absichten. Ich verstand damals noch nicht wie, aber eines wurde mir klar. Er wollte die Weltherrschaft. Ich beschloss, ihn zu töten.
    Die Möglichkeit, meinem eisigen Gefängnis zu entkommen, bekam ich, als ein Eiskletterer in die Spalte einbrach. Eisbrocken fielen mir auf den Kopf, Schnee rutschte mir in den Kragen, ich erwachte aus meiner Lethargie. Ich blickte nach oben und sah Tageslicht. Am Seil des Abgestürzten zog ich mich hoch und genoss das Sonnenlicht und den Himmel über mir. Der Schnee um mich herum war, bis auf die Spuren des einsamen Eiskletterers, unberührt. Ich genoss den Blick auf die Pyrenäen und freute mich, ach was sage ich, ich jubilierte. Dann machte ich mich auf die Suche nach Khemais. Ich stieg noch einmal hinab in mein eisiges Gefängnis und entdeckte ihn, der genauso eingeklemmt wie ich zuvor den tiefen Schlaf der Vampire schlief. Ich grub ihn aus. Nicht, um ihn zu retten, sondern um ihn dem Sonnenlicht auszusetzen. Es gelang. Befreit von meinem Kontrahenten machte ich mich wohlgemut ins Tal auf. Den Schock, den das Eintreten in diese Welt für mich bedeutete, können Sie sich nicht vorstellen.«
    Miguel lehnte sich in seinem Sessel und schloss die Augen. Comitti überlegte. Die Veränderungen zwischen dem siebzehnten und dem neunzehnten Jahrhundert mussten enorm gewesen sein: Autos, Telefone, Fernseher, das waren die ersten Dinge, die ihm in den Sinn kamen. Die Menschheit an sich und die Aufklärung. Das Abwenden von allen Normen, die damals üblich waren, die Mode.
    »Sie versuchen, es sich vorzustellen, Comitti, danke. Es war wahrlich verwirrend für mich. Schon als ich dem Tal näher kam, stellte ich die Veränderung fest. Die Häuser hatten nichts mehr mit denen gemein, die ich kannte. Mir war klar, dass sich nicht nur die Architektur geändert hatte, sondern auch die Mode. Ich sah an mir herab und beschloss, neue Kleidung zu beschaffen. Ich überfiel den erstbesten Mann, der in etwa meine Größe hatte, und sah mir an, was er bei sich trug. Das Geld war mir fremd, reichte aber für ein Zimmer in einer kleinen Pension. Es dauerte Monate, bis ich mit meiner neuen Situation klarkam. Monate, bis ich nicht jedem Automobil, jedem Flugzeug hinterherstarrte. Geholfen hat mir das Internet, das Sie belächeln, Comitti. Ich lernte und verstand durch das Internet. Eine wirklich tolle Erfindung.«
    »Ich bevorzuge Bibliotheken. Erscheinen mir zuverlässiger.«
    Wie aufs Stichwort klopfte es an Comittis Tür.
    Miguel runzelte die Stirn. »Ich habe Sie doch beurlauben lassen.«
    Erneut wurde geklopft, diesmal mit mehr Nachdruck.
    »Ignorieren wir Ihren Besucher einfach«, flüsterte Miguel.
    »Komme gleich«, rief Comitti laut und sah den Sicherheitschef herausfordernd an. Er brauchte gar nicht erst so zu tun, als wäre ihm dieser Satz nur aus Senilität herausgerutscht.
    Miguel stand auf und ging zur Tür. Dabei machte er ein unmissverständliches Zeichen. Er fuhr sich mit der ausgestreckten, linken Handkante am Hals entlang. Comitti nickte. Der Mut, den er gerade noch besessen hatte, war im Begriff, sich aufzulösen. Er neigte sich ein wenig in seinem Sessel vor, um zur Tür sehen zu können, fing noch einen drohenden Blick des Sicherheitschefs auf, bevor dieser mit einem Lächeln öffnete. Wie Comitti gehofft hatte, war es Pater Marco.
    »Ich wollte zu Comitti.«
    »Kommen Sie herein.« Miguel machte eine einladende Geste. Comitti war augenblicklich klar, dass er nun verantwortlich für seinen Mitbruder war. Ein falsches Wort, und Pater Marco wäre tot. Marco trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Das Zusammentreffen mit Miguel hatte den sonst resoluten Pater eingeschüchtert.
    »Ich wollte … ein Buch. Es ist überfällig.« Er sah von Comitti zu Miguel. Es rührte sich niemand, auch gab niemand eine Antwort. »Ist was mit Comitti?«, haspelte Marco.
    Normalerweise hätte Comitti

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