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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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bedienen müssen. Ich meine eine Verschwiegenheit, die viel tiefgründiger ist. Wir dürfen uns nicht mehr mit den Gelehrten treffen, Argyle.«
    »Du meinst …« Argyle blieb stehen und verstand. Ich konnte es an seinem Gesicht sehen, aber ich hatte es immer noch nicht verstanden und verzweifelte.
    »Ja, natürlich. Um Gottes willen.« Argyle wirkte bestürzt.
    Laurentius nickte. »Wir dürfen uns auf keine Diskussionen mehr einlassen, auf keinen Fall.«
    Ich schluchzte. Nicht, weil ich mit keinem mehr sprechen durfte, sondern weil ich mich ausgeschlossen fühlte. Niemand schien mir erklären zu wollen, um was das Gespräch ging.
    »Um Himmels willen, Apollonia, so beruhige dich doch. Es ist eine Gnade, die uns von Gott zuteilwird, keine Strafe.« Laurentius legte mir seine Hand auf den Kopf. Argyle nahm mich in den Arm.
    »Was Laurentius meint, ist, dass wir mit diesem Sturz durch die Zeit, oder wie man es ausdrücken will, Miguel für immer entgangen sind. Gott hat uns in diese Zeit geschickt, um die Welt vor ihm zu schützen.«
    Ich blickte in die Augen meines Vaters, der mich so gütig ansah und kämpfte um meine Fassung. »Aber was haben wir getan, dass wir ein solches Schicksal erdulden müssen?« Ich konnte es nicht für gütig halten, dass ich mitten in die Antike der Menschheit katapultiert wurde. Argyle strich mir über den Rücken.
    »Nichts, Apollonia, nichts.«
    »Es gab schon immer Personen, die zum Wohle der Menschheit mehr aushalten mussten als andere. Gott wird es dir danken«, sagte Laurentius wohlwollend.
    Er und sein heiliges Gerede gingen mir auf die Nerven. Ich wollte ja gut sein. Wollte an Gott glauben und ihm dienen, aber warum musste er mich vor solche Aufgaben stellen?
    »Ich kann auf seinen Dank verzichten!« Ich schrie Laurentius an und ließ die beiden Männer stehen. Die Tür zuschlagend ging ich auf mein Zimmer. Dort begab ich mich in meinen dunklen Raum und wollte niemanden mehr hören oder sehen. Auch Gott nicht. Ich wollte an keinen Gott glauben, der seine Kinder auf solche Art prüfte. Doch Gott fügt sich nicht den Wünschen oder dem Willen der Menschen. Gott ließ mich nicht allein. Er kam zu mir. Er kam in meinen dunklen Raum und sprach mit mir. Er füllte meine Gedanken und gab mir das Gefühl, nicht allein zu sein. Gott spricht mit dir, du musst nur zuhören, hatte mir Schwester Theresa geraten. Jetzt verstand ich, was sie meinte.
     
    *
     
    »Wie soll ich das denn jetzt verstehen?« Comitti rieb sich die Augen. »Bisher war alles nachvollziehbar, wenn man an Vampire glaubt. Aber das Jahrhundert zu verlassen, das Jahrtausend?«
    Miguel blieb ruhig. »Comitti, Sie denken mal wieder in zu engen Maßstäben. Was ist Zeit? Eine Erfindung, eine Vereinbarung der Menschen. Etwas, damit wir uns zurechtfinden. Fragen Sie mal Physiker, was die Ihnen über Zeit erzählen.«
    Comitti verdrehte die Augen. »Ich weiß, ich weiß, Galileo und der Zeitsprung.«
    »Eben. Glauben Sie den Menschen, die sich mit dieser Materie auskennen. Sie glauben an so viele Dinge, die Sie nicht gesehen haben. Warum nicht auch das? Ich weiß, dass es so war.«
    Comitti brummelte vor sich hin. Er war überhaupt nicht überzeugt.
    »Comitti, jetzt benehmen Sie sich bitte nicht albern. Lassen Sie sich einfach darauf ein.«
     
    *
     
    In der nächsten Nacht kam Argyle zu mir. Er nahm mich schweigend in den Arm und strich mir über den Kopf. Ich saß still und ließ mein Leben Revue passieren. Hätte man uns gesehen, wir hätten wie ein Liebespaar ausgesehen, nicht wie ein Vater, der versuchte, seine Tochter zu trösten. Zu trösten, weil sie sich durch Gottes Willkür im falschen Jahrtausend befand.
    »Wir haben doch noch uns, Apollonia. In dem Leben, das wir bisher gekannt haben, gibt es niemanden mehr, den wir vermissen, oder der uns vermissen würde.«
    »Aber ich vermisse das Leben«, sagte ich. »Ich vermisse die Sicherheit.« Argyle sah mich fragend an. Ich musste ihm die Antwort schuldig bleiben. Ich wusste nicht, welche Sicherheit ich meinte. Es war nur das Grundgefühl, das jetzt alles falsch war.
    »Wenn du schon von Sicherheit sprichst, dann hör mir jetzt zu. Wir dürfen über nichts reden, was erst in den kommenden Jahrhunderten erfunden wird. Wenn wir uns nicht daran halten, bringen wir die Menschheitsgeschichte durcheinander.«
    Ich merkte, wie der Zorn in mir aufstieg. Argyle ging nicht darauf ein. Geduldig erklärte er mir, dass wir uns ab heute aus allen gelehrigen Kreisen fernhalten würden.

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