Vegetarismus - Grundlagen, Vorteile, Risiken
enthalten, da der Mensch zur Erhöhung der Nahrungssicherheit, insbesondere in Extremsituationen, auf ein sehr breites Spektrum an Nahrungsmitteln zurückgreift. Bevor er hungert oder verhungert, verzehrt der Mensch alles für ihn EÃbare, wobei dies wiederum nicht für jedes Individuum zutrifft.
Bei allen Lebewesen bestimmt das über Jahrmillionen hinweg vorhandene konstante Nahrungsangebot die genetische Grundlage, die für die Verwertung und Verstoffwechselungder Nahrung verantwortlich ist. Vollständige evolutionsbedingte genetische Anpassungen benötigen sehr lange Zeiträume. Diese Bedingung war mehrere Millionen Jahre lang erfüllt, bis etwa zum Ende der Sammler-und-Jäger-Zeit. Seit der anschlieÃenden rund 10.000 Jahre des Ackerbauzeitalters war nicht genügend Zeit für eine
vollständige
genetische Anpassung an das veränderte Nahrungsangebot.
Beispiele für
unvollständige
Anpassungen sind die Milchzuckerunverträglichkeit (Laktose-Intoleranz) und die Getreideprotein-Unverträglichkeit (z.B. gegen Gluten).
Der Säugling, der ursprünglich ausschlieÃlich mit Muttermilch ernährt wurde, kann das zur Spaltung des Milchzuckers notwendige Enzym Laktase bilden, wohingegen der Erwachsene diese Fähigkeit teilweise verliert. Dieser âNormalzustandâ, das Fehlen ausreichender Mengen von Laktase, trifft für den überwiegenden Teil der Weltbevölkerung zu. Nicht jedoch beim hellhäutigen Menschentyp, der vor allem in Mittel- und Nordeuropa lebt: Hier besteht die Fähigkeit, genügend Laktase zu bilden, auch im Erwachsenenalter fort. Ein Erklärungsansatz geht davon aus, daà der ursprünglich dunkelhäutige Mensch â Ostafrika gilt als die Wiege der Menschheit â in sonnenärmeren Regionen des Nordens seine Vitamin-D-Eigensynthese nur durch Aufhellung der Haut verbessern konnte. Dies ist wiederum für die Kalziumresorption von Bedeutung. Die zusätzliche Fähigkeit, Laktose zu verwerten und somit die Kalziumaufnahme zu verbessern, versetzte den Menschen in die Lage, Kalziummangel-Krankheiten wie Rachitis und Osteomalazie vorzubeugen.
Bestand die pflanzliche Nahrung während der Sammler-und-Jäger-Zeit hauptsächlich aus Nüssen, Samen, Früchten und Wurzeln, wurden mit Hilfe des Ackerbaus vornehmlich stärkehaltige Pflanzen kultiviert, beispielsweise die überwiegend zu den Gräsern zählenden Getreidesorten. Die Auswahl beschränkte sich auf nur noch wenige Arten, an die sich der Mensch nicht vollständig anpassen konnte. Diese unvollständige Anpassung äuÃert sich heute in der Unfähigkeit einiger Individuen, bestimmte Getreideproteine zu verstoffwechseln.
Dennoch kann die mit dem Beginn des Ackerbau-Zeitalters leicht verschobene Nahrungsmittelauswahl noch als artgerechte Ernährung betrachtet werden, denn weiterhin bestand die Kost überwiegend aus pflanzlichen Nahrungsmitteln.
Die sich in den letzten 200 Jahren und insbesondere seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs herausgebildete Zivilisationsnahrung stellt allerdings nur noch teilweise eine artgerechte Ernährung dar. In diesem äuÃerst kurzen Zeitraum konnte keine wesentliche physiologische Anpassung an diese innerhalb sehr kurzer Zeit entstandene Ernährungsweise erfolgen.
Die heute typischen âZivilisationskrankheitenâ lassen sich vor diesem Hintergrund als Ãberlastung der menschlichen Regulationssysteme interpretieren. Die starke, entwicklungsgeschichtlich plötzliche Abweichung von der Norm kann nicht mehr kompensiert werden. Ernährungsabhängige Erkrankungen stellen seit Jahren die Haupttodesursachen in den Industrienationen dar. Der menschliche Körper kommt nicht mit dem drastisch veränderten Nahrungsmittelmuster zurecht, welches für die heutige Ernährungsweise kennzeichnend ist.
In den letzten 100 Jahren haben die körperliche Aktivität und damit der Energiebedarf des Durchschnittsmenschen stark abgenommen. Dennoch hat sich die Nahrungsenergiezufuhr kaum verändert, und Ãberernährung ist heute das gröÃte Ernährungsproblem in den Industrienationen.
Es ist absurd, daà der Mensch trotz eines in seiner Entwicklungsgeschichte bisher einmalig breiten Nahrungsangebots sich besser als je zuvor ernähren könnte, dennoch aber zunehmend an den Folgen von Fehlernährung leidet.
VI. Vegetarisch geprägte alternative
Ernährungsformen
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