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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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    Können Sie nicht oder wollen Sie nicht, Herr Carter?
     
    Das Protokoll stammt vom 5. September 1942. 15.40 Uhr, Rostow am Don .
    »Erzählen Sie uns von Aratta.«
    »Da gibt es nichts zu erzählen.«
    »Das stimmt nicht ganz. Erzählen Sie uns von Aratta.«
    »In der sumerischen Überlieferung, beispielsweise in ›Enmerkar und der Herr von Aratta‹, wird sie als Stadt hoch im Norden bezeichnet. Ihre Einwohner galten für die Sumerer als entfernte Verwandte. Sie — Arschloch!«
    »Erzählen Sie uns von Ihrer Expedition nach Aratta. Was haben Sie dort gefunden?«
    »Wir haben rein gar nichts gefunden. Die Expedition war ein Fehlschlag.«
    »Sie wollen nicht mit uns zusammenarbeiten? Vielleicht sollten wir eine kurze Pause machen.«
     
    15.46 Uhr.
    »Erzählen Sie uns jetzt, was Sie in Aratta gefunden haben. Warum sträuben Sie sich, darüber zu reden?«
    [Eine gedämpfte Stimme.]
    »Lauter.«
    »Zur Hölle mit Ihnen.«
    »Wohl kaum, Herr Carter. Sehen Sie sich die Papiere an, die vor Ihnen auf dem Tisch liegen, und sagen Sie mir, was fehlt. Schließen Sie die Lücken für uns, Herr Carter.«
    »Fragen Sie doch Pechorin, der war dabei.«
    »Das haben wir, und das war sehr ergiebig. Aber seine Erinnerungen sind ein wenig ... unzusammenhängend. Was genau ist in Aratta mit Ihnen passiert?«
    »Nichts.«
    »Herr Carter, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
     
    »Laut Herrn Pechorin handelt es sich bei diesen Aufzeichnungen um Abschriften sumerischer Texte über Aratta. Dies hier sind hethitische Texte über Aratta. Dieser Text stammt von einer Tontafel aus Aratta, und darin ist von ›Der größten Stadt im Norden‹ die Rede — von Aratta also, nicht wahr?«
    »Sollte man meinen.«
    »Bei dieser Abschrift dagegen hat Hobbsbaum das römische und das kyrillische Alphabet verwendet. Das ist weder Sumerisch noch Hethitisch und keine der anderen Sprachen auf der Tontafel. Ich verstehe es nicht.«
    »Ich ebenso wenig.«
     
    »Und diese Zeichen, unter der Schrift, oder hier, auf der Rückseite der Blätter, diese Kurven und Punkte — was ist das? Sie gleichen keiner Sprache, die ich je gesehen habe. Keilschrift ist es jedenfalls nicht.«
    »Nein.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Das kann ich Ihnen nicht erklären.«
    »Sonderbar. Genau das hat auch Pechorin gesagt. Können Sie nicht oder wollen Sie nicht, Herr Carter?«
     
     
    Die Knochen der Riesen
     
    6. September 1942, 16.20 Uhr, Maikop
    »Wissen Sie, Herr Carter, ich habe oft gehört, wie die Arbeiten Ihres Judenfreundes über nordanatolische Frühgeschichte gelobt wurden.«
    »Haben Sie ihn deshalb in ein Arbeitslager einsperren lassen?«
    »Seine Artikel, in denen er die Arattaner mit den Sumerern in Zusammenhang bringt und die sumerische Sprache mit dem Magyarischen und anderen der turanischen Sprachfamilie vergleicht, sind ... einzigartig. Er war der Erste, der eine rassische Verbindung zwischen den Arattanern und den Sumerern postulierte, der Erste, der Handelsbeziehungen zwischen den prähistorischen Siedlungen an der Donau und jenen in Anatolien nachweisen konnte. Aber es hätte mir klar sein sollen, dass ein Jude nie die ganze Geschichte erzählen würde.«
    »Das ist die ganze Geschichte.«
     
    »Fühlen Sie sich unwohl? Möchten Sie vielleicht einen Schluck Wasser?«
    »Ich brauche nichts zu trinken.«
    »Aber es würde Ihnen sicher gut tun. Nicht? Also gut. Sie stimmten mit dem Professor überein, dass Aratta die ältere Kultur sei und dass Jericho und Çatal Hüyük die einzigen Außenposten eines Reiches gewesen sein könnten, das aus Holz und Leder und Knochen errichtet wurde und nicht aus Ton und Stein. Richtig? Also haben Sie nach Aratta gesucht und es gefunden. Sie sind auf die Relikte einer uralten Kultur gestoßen. Auf die Knochen der Riesen, sozusagen.«
    [lacht] »Relikte! Relikte?«
     
    Ich lege die Blätter des Protokolls auf den Boden und stöbere in der Schuhschachtel, auf der Suche nach den Tagebuchseiten, die sich darauf beziehen. Mein Großvater hat seine Tagebuchnotizen nicht in ein Buch geschrieben, sondern auf lose Blätter, darunter Seiten, die er aus Notizblöcken mit dem Briefkopf verschiedener Hotels gerissen hat, Kanzleipapier, A4, Briefpapier, Fetzen von liniertem Papier aus winzigen Notizbüchern.
    Relikte, schreibt er auf dem Blatt, das ich neben das Protokoll lege wie passende Puzzleteile ...
    Ich habe nie irgendwelche Zweifel gehegt, schreibt er , dass das Arattanische und das Sumerische

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