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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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Also zündet man niemals drei Zigaretten mit demselben Streichholz an.
    Er stützt sich auf das kunstvoll bemalte Geländer der Kelvinbridge. Hinter ihm fährt klappernd ein Karren vorbei, während der Fluss unter ihm wild und weiß über ein natürliches Wehr fließt — Felsen, die aus dem flachen Wasser wachsen. In den Kasernen von Maryhill gibt es also ein paar Meuterer. Genau das hatte Lloyd George befürchtet, und deshalb hat er auch dafür gesorgt, dass am Morgen nach dem Blutigen Freitag die Panzer anrollten und Glasgow in eine Festung verwandelten. Und die Hände, die die Waffen hielten, kamen alle von außerhalb. Zwei Wochen später waren die Soldaten droben in Maryhill noch immer in ihre Kasernen eingesperrt, um zu vermeiden, dass Verbrüderungen mit den Genossen am Clyde ihre Loyalität infrage stellten. Die Soldaten, die auf den Straßen für Ruhe sorgten, waren alle von einem Premierminister und einem König geschickt worden, die sich ins Hemd machten, weil sie befürchteten, dass am Roten Clyde eine ausgewachsene Revolution im Gang war.
    Aber das ist jetzt vier Jahre her. Die Zeiten ändern sich. Maclean ist tot, eine Gefängnisstrafe nach der anderen und die fortwährenden Hungerstreiks und Schläge haben ihn kaputt gemacht. Er hatte seinen Mantel auf der Straße einem Bettler gegeben und sich eine Lungenentzündung geholt. Allem Anschein nach trauert die ganze Stadt um ihn, manche tief betrübt, die anderen wütend, wie diese beiden. Seamus erklärt ihnen, dass sie keine solchen verfluchten Narren sein sollen.
    »Anscheinend fällt es Ihnen leichter, anderen einen Rat zu geben, als ihn selbst zu befolgen«, sagt der, der MacChuill heißt. »Macht, was ich euch sage, ganz egal, was ich tue, was?«
     
    Und was soll er darauf antworten, Idiot, der er ist. Himmel Herrgott, er ist so berüchtigt dafür, sich wie ein Idiot zu benehmen, dass diese beiden ihn erkannt, ihn sogar mit Namen angesprochen haben, als sie ihm in der Morgendämmerung begegneten. Er wäre weitergegangen, ohne den Gruß zu erwidern — sicher waren sie betrunken und suchten Streit, jeden Augenblick würde eine Flasche an ihm vorbeisegeln —, aber sie haben ihn ein zweites Mal angesprochen, sie haben ›Genosse‹ zu ihm gesagt, und aus ihrem Mund, das wusste er, war das keine Beleidigung.
    Also ist er stehen geblieben, hat sich umgewandt und hallo gesagt. Und siehe da, sie sind beide sturzbetrunken, sternhagelvoll, und der Whiskeygeruch weckt schlimme Erinnerungen — Erinnerungen, mit denen er nur ungern konfrontiert wird. Die Nachtschicht ist gerade erst zu Ende gegangen und er ist müde, und zwei Glasgower Soldaten auf Urlaub, auf Sauftour, sind nicht zu unterschätzen, mit denen wird er jetzt nicht fertig. Aber nein, sie wollen sich tatsächlich nur mit ihm unterhalten. Sie wollen nur mit jemandem reden, der Maclean gekannt hat, und so wird einer dieser flüchtigen freundschaftlichen Momente daraus, die man manchmal mit Fremden in einer Stadt erleben kann, wenn sie mit einem ›ach, ein großer Mann‹ hier und einem ›oje, wohl wahr‹ da ihr Herz öffnen.
     
    Sie erklären ihm, dass sie gerne helfen würden, und er muss daran denken, wie er dasselbe zu Maclean gesagt hat, damals, als es so aussah, das ein Einzelner etwas bewirken konnte.
    »Es gibt nichts«, sagt Unteroffizier MacChuill, »womit Sie uns davon abbringen können. Ich meine, wenn die Armee dafür eintritt, dann müssen die Herzöge doch die Ohren aufsperren.«
    An Eifer mangelt es ihnen nicht, ohne Frage. Das wusste er schon immer zu schätzen, und das wird sich auch nicht ändern. Aber inzwischen glaubt er nicht mehr daran, dass das Leid jemals ein Ende nehmen wird, dass seine armen Mitmenschen jemals in Freiheit leben werden. Was soll er sagen? Müht euch nicht, denn die Mühe ist umsonst? ›Wer nichts wagt, der nichts gewinnt‹ — das klingt für ihn noch immer wie ein vielversprechendes Motto. Aber trotzdem. Er denkt an Irland, das gerade erst einen zweijährigen blutigen Bürgerkrieg überstanden hat und jetzt geteilt ist, gespalten. Ihnen wurde die Selbstbestimmung zuerkannt, schön und gut, aber der Norden ist immer noch britisch ... Herr im Himmel, vergib ihnen. Sehen sie denn nicht, was bevorsteht?
    »Lasst lieber die Finger davon«, sagt er, »und geht jeder Gefahr aus dem Weg.«
     
    Verdammte Scheiße, er will nur noch, dass es aufhört, dass niemand mehr leiden muss, nicht seinetwegen.
    Ein Reiher flattert träge herbei, um im seichten

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