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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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Jack hinüber. »Na dann mal los, Weltraumkadett ... bekloppte Ratte, du.«
     
    Analyse: Unterdrückte Erinnerungen.
    Operativer Vorgang: Abschweifung umlenken.
    Jack zündet ihn an und inhaliert tief.
    »Was ist«, sagt er, »was ist, wenn die Bekloppten Recht haben? Was ist, wenn es all diese ... Dinge wirklich gibt, die Engel, Außerirdischen und Dämonen, einfach nur Dinge, aber wir können sie nicht sehen außer in unseren Träumen ... oder in unseren Wahnvorstellungen? Aber in denen sind sie wirklich?«
    »Sie sind nicht wirklich, wenn sie nur in deinem Kopf existieren, Kumpel.«
    »Aber wenn sie auch im Kopf anderer Leute existieren? Wenn alle Bekloppten dasselbe sehen, dasselbe hören ...«
    »Wenn alle Bekloppten auf der ganzen Welt dasselbe sehen, sind sie trotzdem immer noch bekloppt.«
     
    »Und was ist, wenn alle Bekloppten auf der Welt eben nicht dasselbe sehen, selbst wenn es direkt vor ihnen steht?«
    Jack wendet den Kopf und sein Blick schweift von Joey zu dem Geschöpf, das ihn aus einer Ecke des Zimmers heraus beobachtet; es steht hinter Guy, der sich auf dem Bett fläzt und in einer gestohlenen Brieftasche kramt, auf der Suche nach einem Personalausweis, den er abändern kann, damit sie Bier trinken gehen, die Maßnahme verlassen können und —
    Irgendetwas ist hier nicht in Ordnung. Jack begreift nicht ganz, was es ist. Das Geschöpf, das nur er sehen kann, ist es nicht. Die Wahnvorstellungen, die Halluzinationen gleichen einem LSD-Trip. Man sieht die Wirklichkeit noch, aber eben auch noch diese anderen Dinge, darüber und darunter, die durch die Ritzen dringen. Wie zwei mit unterschiedlicher Tinte angefertigte Zelluloiddiagramme, von einem Projektor gleichzeitig an die Wand geworfen. Sie mögen einander überlagern, verkomplizieren, ein komplexeres Muster bilden, aber man kann sie trotzdem auseinanderhalten. Sonderbarerweise gewöhnt er sich sogar daran. Nein, da ist noch etwas anderes.
    Seit wann benötigen sie eigentlich Personalausweise, um die Maßnahme zu verlassen?
    »Wisst ihr was?«, fragt Guy, der von Joeys und Jacks Unterhaltung rein gar nichts mitbekommen hat. »Mir hat da jemand von diesem tollen neuen ›Underground Club‹ in der Stadt erzählt. Den sollten wir uns wirklich mal ansehen.«
    Club Soda
     
    »Guy Fox«, sage ich, und der Rausschmeißer tritt einen Schritt zurück, um mich vorbeizulassen. Hier in der Kolonie öffnet dieser Name so manche Tür.
    Der Club swingt und groovt wie ein Casino, die Sitze mit Leder bezogen, überall elegante Séparées, psychedelische Formen werden an die Wände projiziert, Farben wirbeln über die Decke. Sehr Bacharach. Hier gehen Décadents und Abweichler ein und aus, kein Wunder, dass ich mich hier wohlfühle — sanfte Musik auf dem Plattenteller, harte Drogen auf den Toiletten. Cocktails und Kokain als Appetithäppchen. Auf der Bühne beginnt die ›Fisher-Price Experience‹ gerade mit ihrem Auftritt. Ich mime den müßigen Playboy und lehne mich an die Bar. Meine weiße Kricketuniform wird von dem ultravioletten Licht angestrahlt, mein Gin Tonic schillert orgonblau. Meine lässige Haltung und mein aufgemalter Schnurrbart sind meine Verkleidung: ein Grundschulanarcho, Aristokrat und Wüstling in einem. Guy wird nicht eben erfreut sein, dass ich mir für einen Abend seine Identität ausgeborgt habe, aber ich werde versuchen, sie nicht allzu sehr zu missbrauchen.
     
    Der Barkeeper bedient einen anderen Gast, während ich in den Spiegel hinter der Theke blicke und mein Spiegelbild bewundere. Er gießt Absinth über einen Löffel Zucker, zündet ihn an, rührt ihn unter und gießt Wasser darüber. Was für eine Verschwendung von gutem Alkohol! Die Frau nimmt das Glas, schiebt ihm das Geld hin, nimmt einen Schluck. Sie wendet sich mir zu und lächelt.
    »Ich glaube, wir sind uns noch nicht begegnet«, sagt sie.
    »Ich glaube, da haben Sie Recht.« Ich ziehe eine Augenbraue hoch und deute damit an, dass die Fetischmaske aus Leder, die ihr Gesicht verbirgt, mich daran hindert, sie zu erkennen, selbst wenn wir einander schon einmal begegnet sein sollten, wenn auch vielleicht nur flüchtig. Natürlich weiß ich genau, wer sie ist.
     
    »Fräulein Kitty Porn«, sagt sie und reicht mir die Hand.
    »Ich habe von Ihnen gehört.« Ich nehme ihre Hand und küsse die Innenseite ihres Handgelenks.
    »Und ich, mein Lieber, von Ihnen.«
    »Nur das Schlechteste, hoffe ich.«
    »Nur Lasterhaftes«, sagt sie in schnurrendem Tonfall. »Ich habe einen

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