Vellum: Roman (German Edition)
Achseln und schiebt ebenfalls den Stuhl nach hinten. Er folgt Seamus, der sich mit großen Schritten von dem Café entfernt, bevor er etwas tut, das er später bereut.
»Wissen Sie, für die Jungs ist er so was wie ein Held«, sagt Fox. »Er hat mehr Faschisten getötet als fast alle anderen in seiner Kompanie —«
»Großartig«, sagt Seamus. »Wirklich großartig.«
Als der Mann seinen Akzent, seine Stimme hört, hebt er den Kopf und dreht sich um, und Seamus blickt zu ihm hinüber ...
Die Zeit bleibt stehen.
Jack Carter. Seamus Finnan. Über die tiefe Kluft ihrer Identitäten starren sie einander an, über zwanzig Jahre hinweg — zwanzig Jahre, in denen ein kalter Wind über Schützengräben und Barrikaden heulte, und da erkennen sie einander wieder. Doch das ist nicht alles, ihnen wird auch klar, was sie darüber hinaus noch gemeinsam haben, tief in ihrem Innern. Und dann ist es blitzartig verschwunden, als die Sonne durch die Wolken bricht, von einem Gegenstand hinter Finnan reflektiert wird und sich in Jack Carters Augen widerspiegelt, ein Spiegelbild in einem Spiegelbild, und mit einem Satz ist er auf den Beinen, er stößt den Tisch um, zieht seine Pistole, springt von einem Tisch zum nächsten und zielt über ihre Köpfe hinweg und an ihnen vorbei mit der Pistole auf den Sportwagen, der aus einer Seitenstraße auf sie zugerast kommt, das Dach zurückgeklappt, ein Mann beugt sich heraus und richtet eine Maschinenpistole auf sie, Himmel, aber da hat er bereits eine Kugel im Kopf, ein roter Punkt mitten auf seiner Stirn, die geborstene Windschutzscheibe fällt klirrend in sich zusammen, der Mann mit der Kugel im Kopf ebenso, der Wagen gerät ins Schleudern, als Jack Carter, Mad Jack Carter vor ihm landet, ein Brüllen bricht zwischen seinen Lippen hervor, er landet in der Hocke, wie ein Tier oder ein Engel, nicht ganz menschlich und doch mehr als ein Mensch, der Wagen pflügt auf den Gehsteig hinauf und pfeilgerade in ein Schaufenster, die Pistole folgt ihm, Carter wiegt sich in den Hüften, und mit einem Wort, nicht mit einem Schuss, sondern mit einem Wort, Seamus wird das erst jetzt bewusst, nicht ein Schuss ist abgefeuert worden, nein, kein einziger, nur die Laute, die Carter ausgestoßen hat, diese Worte, diese verbalen Kugeln in den Kopf, stählerne Flüche, die die Schädel von Kollaborateuren sprengen, und mit demselben Wort, von einer Pistole abgefeuert, die nicht geladen ist, gibt Carter einen weiteren Schuss metallischer Sprache ab, direkt in den Tank des Sportwagens, und der fliegt in Flammenblüten gehüllt in die Luft, ein Blitz aus rotem und orangefarbenem Feuer breitete sich wellenförmig aus, dicht gefolgt von schwarzem Rauch und einem Regen aus Glas- und Metallsplittern, während Jack Carter einfach nur dasteht, die Pistole ins Halfter schiebt und sich zu ihnen umdreht.
Keiner sagt etwas. Sie stehen nur da und schauen einander an, Carter und Finnan, wieder in dem verwirrenden Moment des Erkennens gefangen oder in etwas Ähnlichem, etwas völlig anderem. Carters Hand zittert, als er in die obere Tasche seiner khakifarbenen Jacke greift, die improvisierte Uniform der Internationalen. Sogar Fox schweigt, von der unausgesprochenen Geschichte gebannt, die diese beiden Männer geradezu fühlbar miteinander verbindet. Carter steckt sich eine Zigarette zwischen die Lippen und hält Finnan dann langsam, zögerlich, auch eine hin, hält inne und tastet nach einer weiteren, für Fox. Finnan nimmt die Zigarette und stellt fest, dass er das Feuerzeug bereits in der Hand hält, in einer Hand, die sich unvermittelt ausstreckt und den Stahldeckel aufschnippt.
Klick.
Er hält seinem Gegenüber die Flamme hin, und Carter beugt sich vor, legt schützend die Hände darum, fast zärtlich, wie um etwas Kostbares. Was es auch ist.
Wir Wirbelwinde wirbeln Staub auf. Wir springen über die Windstöße anderer Stürme, wehen ungestüm einer gegen den anderen an, während wir, das Blut, die Tinte, das Mal, der Cant, die Bitläuse, die wir geschaffen wurden, um die Welt so zu gestalten, wie du sie dir erträumst, ja, wir sammeln und verteilen uns wieder neu. Luft vermischt sich mit dem Meer. Der Schlachthof ist fort. Wir glauben nicht, dass er wirklich deinen Wünschen entspricht, verstehst du?
»Gib nicht dem Schicksal die Schuld an deinem Pech«, sagt unser seltsamer ledriger ehemaliger Herr. »Behaupte nie, die Herzöge hätten dir Probleme bereitet, die du nicht voraussehen konntest!«
Wenn wir dazu
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