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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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Eis, und graues Rauschen erfüllt seinen Kopf. Er brüllt sie an, diese Geschöpfe, die nun von einer fremden Macht beseelt sind.
    »Das sind die erregten Worte, die verrückten Worte eines Wahnsinnigen. Hört ihr die Prahlereien dieses Mannes? Was sind sie anderes als die Abgründe seiner Verzweiflung.«
    Sie zerren an ihm, saugen an seinem Ledermantel, der sich in seinem Rücken bauscht, zupfen an seinen Dreadlocks. Er muss sich zu Finnans Stuhl durchkämpfen und packt ihn im Nacken, als wüsste er nicht, ob er ihn töten oder trösten soll.
    »Dein Wahnsinn kennt keine Grenzen.«
    Die Erde bebt. Ganz in der Nähe dröhnt ein Donnerschlag und Blitzgirlanden zucken herab, strahlend hell, eisblaue Streifen vor grauem Hintergrund, das elektrisierende Blau von Finnans funkelnden Augen. Die Flut der Bitläuse zerrt Metatron zurück, und er beschimpft sie, die Arme ausgestreckt und die Stimme erhoben in einem letzten Versuch, ihnen seinen Willen aufzuzwingen.
    »Ihr«, singt er im Cant, »die ihr mit den Qualen dieses Mannes fühlt, geht fort von hier, bevor das raue Brüllen seines Donners euren Verstand betäubt.«
    »Sing ein neues Lied«, rufen die Bitläuse, »wenn du uns überzeugen willst. Nur deine Drohungen stehen über allem Leid. Erwartest du, dass wir ihn jetzt im Stich lassen wie Feiglinge, die einen Freund seinem Schicksal ausliefern? Wir ziehen es vor, jegliches Leid mit ihm zu teilen. Wir lernen von ihm. Er lehrt uns vieles.«
    Sie heben Metatron hoch – eine Lumpenpuppe, die Arme weit ausgestreckt wie gekreuzigt, und er tobt vor Wut, schreit in einem fort auf den Staub ein.
    »O ja«, singen die Bitläuse, »wir haben hassen gelernt. Und nichts hassen wir mehr als überhebliche Männer, die das Vertrauen anderer enttäuscht haben.«
    Sie schleudern ihn von sich wie ein wütendes Kind sein Spielzeug. Die Wand kracht mit voller Wucht gegen seinen Rücken, der Boden unter seinen unsicheren Füßen ist unnachgiebig, und doch schwankt er.
    »Dann denkt daran!« – [Er kriecht Richtung Tür.] – »Denkt daran, dass ich euch gewarnt habe.«
    Aber er weiß nicht mehr, ob er die Bitläuse anbrüllt oder den Unkinrebellen – oder ob das nicht auf dasselbe hinausläuft.
     
    »Es heißt, er sei in Guernica gewesen, als es von den Faschisten bombardiert wurde.«
    »Tatsächlich?«, sagt Seamus. »Hat er Ihnen das selbst erzählt?«
    Er blickt über den Rand seines Glases hinweg, über den Tisch und die Schulter von Fox, der ihm gegenübersitzt, ein wenig vorgebeugt und mit hochgezogenen Schultern, wie jemand, der ein Geheimnis ausplaudern möchte; Fox zeigt mit dem Daumen über die Schulter. Im Café ist es ruhig, es ist fast ausgestorben, was angesichts der Straßenkämpfe zwischen Kommunisten und Anarchisten kein Wunder ist. Es ist ein grauer Sonntag, und so hat Seamus freie Sicht auf die leeren Tische mit ihren Sonnenschirmen, die nur teilweise aufgespannt sind. Er hat freie Sicht auf das Arschloch.
    »Nein, nein«, sagt Fox. »Das hat er nicht erwähnt —«
    »Na, weil er auch kein Scheißheld von Guernica ist«, sagt Seamus.
    Auf der anderen Seite der Terrasse, ganz allein an einem Tisch, halb über seinem Glas zusammengesackt und offenbar sturzbesoffen — das Gesicht würde Seamus überall wiedererkennen, ohne Frage, es hat sich seinem Gedächtnis unauslöschlich eingeprägt. Und er hat sich kein bisschen verändert. Er ist kein Stück älter geworden, denkt Seamus, was ein wenig ... sonderbar ist, geradezu unheimlich. Fast wie ich auch, denkt Sergeant Seamus Padraig Finnan, ehemals bei den 1. Dubliner Füsilieren. Zwanzig Jahre später sitzt er hier, als Politkommissar des Britischen Bataillons der Internationalen Brigaden in einem winzigen Straßencafé in Barcelona, und wartet auf den nächsten wahnwitzigen Versuch, die Faschisten aus Spanien zu vertreiben. Zwanzig Jahre später, und keiner von uns beiden hat sich auch nur ein bisschen verändert, nicht im Geringsten, er sieht noch genauso aus wie in Frankreich, dieselben blonden Haare — wenn auch im Augenblick ein wenig zerzaust, sie stehen ab wie bei jemandem, der unablässig mit den Fingern darin herumwühlt oder den Kopf oft in die Hände stützt.
    Ein schlechtes Gewissen, denkt Seamus. Nun, das hat er davon, verdammte Scheiße.
    »Kennen Sie ihn?«, fragt Fox.
    Ob ich ihn kenne? Seamus würde ihn am liebsten umbringen, diesen englischen Wichser ...
    »Gehen wir«, sagt er und steht auf. »Bitte, lassen Sie uns gehen.«
    Fox zuckt mit den

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