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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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jungfräulichen Lippen ein ›Psst‹ zuzischelte. »Bier und Buben«, sagte Puck, ohne ihn zu beachten. »Hast du Bock, dich mal wieder so richtig auszutoben?« Seine Hand glitt, von der Finsternis im Vorlesungssaal und den Holzpulten vor uns geschützt, zwischen meine Oberschenkel, die Zunge zwischen den Zähne.
     
    »Und was ist mit der Philosophie?«, sagte Hobbsbaum. »In seiner Arbeit über die Theologie der Äglyphier, in seiner Analyse ihrer Weltanschauung, behauptet er, dass es ... ich zitiere ... ›eine hinreichende Grundlage für die Annahme gibt, dass die späteren Vorstellungen von nous und logos, von denen wir bisher dachten, sie seien zu einem viel späteren Zeitpunkt von außerhalb an die Äglyphier herangetragen worden, bereits in dieser frühen Epoche verbreitet sind. Entsprechend enthält die versidische Überlieferung, die den Ursprung ihrer Philosophie in Äglyphien sieht, mit Bestimmtheit mehr Wahres, als ihr in den letzten Jahren eingeräumt wurde.‹ Das«, fuhr Hobbsbaum fort, »hindert ihn nicht daran, uns zu erklären ... ›Weder verfügten die Äglyphier über die Begrifflichkeit, einem System vernünftiger Gedanken Ausdruck zu verleihen, noch entwickelten sie die Fähigkeit, wie die Versiden eine solche grundlegende Begrifflichkeit hervorzubringen. Sie dachten in konkreten Bildern.‹«
     
    »Wie Apfelgold«, sagte Puck. »Deine Haut.«
    »Pissgelb«, erwiderte ich und er patsche mir auf die Schulter, während seine Miene mir verriet, dass er mir (a) meine Bescheidenheit nicht eine Sekunde lang abnahm und dass ich (b) aufhören sollte, ihm dauernd Komplimente entlocken zu wollen, sondern mich mit denen zufrieden geben sollte, die er mir sowieso schon machte. Er ging zum Spiegel hinüber, der über der Kommode hing, um mit einem Horn den Dreck unter einem Fingernagel zu entfernen und die Haare aufzuschütteln, die mit dem Herbstanfang blaugrün geworden waren, ein jahreszeitlich bedingter Umstand, der mich ausgesprochen bezauberte. Im Herbst sah Puck immer am besten aus, dann wurden seine Haare dunkler, bis sie zu den blaugrünen und marineblauen Farbtönen passten, die auf seinen Flügeln funkelten.
    »Nun, genau genommen hast du völlig Recht«, sagte er. »Ich weiß auch nicht, was ich in dir sehe, Blondschopf. Ich könnte mich mit schmuckeren Jungs rumtreiben als mit dir.«
    »Das tust du doch auch, du Schlampe.«
    Ich schaltete den Mikrorekorder aus, und die bedächtige Stimme des Professors verstummte. Dann blätterte ich auf meinem Notepad zu einer leeren Seite weiter.
    »Also, kommst du jetzt oder was?«
    »Ich komm später, aber dann richtig«, sagte ich.
     
     
    Konkrete Bilder, abstrakte Akte
     
    »Obwohl das Opfer«, erklärte der Polizeisprecher den Kameras und Mikrofonen der Anwesenden, »offen homosexuell war und sich den beiden Verdächtigen allem Anschein nach in einer hiesigen Bar, die von Homosexuellen frequentiert wird, mit der Absicht genähert hatte, mit einem von ihnen oder mit beiden in sexuellen Kontakt zu treten, und auch mit ihnen mitgegangen ist, haben wir bisher noch keine homophoben Motive für den Übergriff feststellen können. Allem Anschein nach handelte es sich um einen Raubüberfall. Damit soll in keiner Weise die bestürzende Brutalität dieser Tat abgeschwächt werden, aber unserer Ansicht nach ist es noch zu früh, von einem Verbrechen aus Hass zu sprechen.«
     
    In eine Ecke irgendeiner Seite mit rasch hingeworfenen Notizen und Kritzeleien — mit einem dieser Vierfarbkugelschreiber gedankenlos hingeworfen, bei denen die rote oder grüne, blaue oder schwarze Mine herausgeklickt werden kann — hatte Puck die Einzelheiten eines Flugblattes abgeschrieben, das jemand ans Schwarze Brett im Fachbereich aftro-amorikanische Studien gehängt hatte — ein Aufruf zu einer Demonstration gegen eine Kundgebung der ›Stimme der Elfen‹. Damals hatte ich ihm im Spaß vorgeworfen, er wolle doch sowieso nur all die strohblonden Bauernsöhne mit ihren himmelblauen Augen anglotzen, wie sie da rank und schlank skandierten und stolzierten.
    Und nun hockte ich auf dem Bett und betrachtete die wie mit Spinnweb bedeckte Seite, die Zitate und Einfälle, Anspielungen und Abschweifungen, Cartoons und Karikaturen, als könnte ich alldem eine Bedeutung abringen, wenn ich nur lange genug draufstarrte.
     
    »In einer Presseerklärung«, sagte der Reporter, »hat die Polizei heute bekannt gegeben, dass sie im Fall Thomas Messenger inzwischen vier Verdächtige

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