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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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fordernd und verletzlich. Er war teils Löwe, teils Gazelle, die Lippen leicht geöffnet, die Nüstern leicht geweitet, als könnte er sie mit seinem Atem zu sich herüberziehen, an einem imaginären Seil, dem Duft von Duschgel und Schweiß.
    »Mann, kannst du das Testosteron riechen?«, sagte er genüsslich.
     
     
    Curtius, E., Griechische Geschichte (1857–67), Band 1, S. 41
     
    »Von Aischylos an wird das prosianische Reich im Vergleich mit den jungen und dynamischen versidischen Stadtstaaten als dekadent und von übertriebenem Luxus verweichlicht dargestellt, und diese Fremdenfeindlichkeit war im Zeitalter der klassischen Poesie allem Anschein nach vorherrschend. Umso bemerkenswerter ist es also, dass die versidischen Schriftsteller der klassischen Epoche weiterhin als allgemein anerkanntes Wissen hinnahmen, was von ihren Vorfahren auf sie gekommen war, und zwar, dass die ältesten ihrer Städte — Augos, Thetes, Coronnus — von Äglyphiern oder Phonästiern gegründet worden waren. Erst im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert wurde diese Ansicht von Historikern und Archäologen infrage gestellt, weil, wie Ernst Curtius uns erklärt ...
     
    ›Denn eigentliche Kaananiter, welche sich aller Orten scheu von den Hellenen zurückgezogen haben, namentlich wo sie fern von ihrer Heimath und vereinzelt mit ihnen in Berührung kamen, und die im Ganzen von den Hellienen verachtet wurden, so daß diese an Orten gemischter Bevölkerung, wie im kyprischen Salamis, Familienverbindungen mit ihnen als eine Schande ansahen, solche Phonestier haben niemals Fürstenthümer unter hellienischem Volke gestiftet.‹«
     
    Eine Prozession Tausender von Soldaten in funkelnder Rüstung paradierte von einer Ruhmesfanfare begleitet zwischen steinernen Säulen hindurch, die sich am Eingang der Stadt himmelwärts reckten. In sie hineingemeißelt waren riesige Jugendstilsphinxen, die auf das Spektakel hinabblickten. Im Vordergrund fläzte sich ein Kaiser auf einem Balkon, der mit kostbaren Kissen und Teppichen mit filigranen Mustern bedeckt war, während Sklavinnen, in kaum mehr als Schmuck und hauchzarte Seidengewänder gekleidet, ihm mit Palmwedeln Luft zufächelten und seine korpulente Majestät mit Früchten fütterten, deren Saft ihm über das Doppelkinn troff.
     
    Wir saßen im Dunkeln in der hintersten Reihe des Vorlesungssaals der ›Film and Media Studies‹, während Griffiths großes Historienspektakel Intoleranz über den Bildschirm flimmerte, während Hobbsbaum gleichzeitig redete, seine Vorlesung wie immer eine Chimäre verschiedener Medien, aus Text und Illustration, Kommentar und Zitat — eine ›Sortenmischung‹, wie er das nannte, diese intertextuelle Exegese der Geschichte. In der Woche zuvor war Die Geburt einer Nation an der Reihe gewesen, und während Klansmänner in weißen Gewändern auf ihren Rössern durch einen Ort galoppierten, der von aufständischen Sklaven überrannt worden war, die nichts als Mord und Vergewaltigung im Sinn hatten, waren meine Gedanken abgeschweift, und mir war, aus irgendeinem sonderbaren Grund, die anmutige Muskulatur der dahinstürmenden Pferde aufgefallen, die Choreographie des Einschwenkens in enger Formation um die Ecke eines Blockhauses, wie sie mit ihren stampfenden Hufen Staub aufwirbelten, der sich mit dem Rauch der Schüsse vermischte. Wie sich ihre Muskeln wölbten, sich ihre Sehnen unter dem Fell anspannten — die ursprüngliche Pracht ihrer dahinfliegenden Körper!
    Und die Ocker flohen vor den edlen Rittern in den sich bauschenden weißen Umhängen.
     
     
    Räume und Raum
     
    »Meins«, rief er und schoss an mir vorbei. Ein schillernder Flügel erwischte mich direkt im Gesicht, als er auf das Bett neben dem Fenster sprang, sich überschlug und mit einem Knarren der Matratze auf dem Rücken landete, Arme und Beine sternenförmig ausgestreckt, einerseits um das Gleichgewicht wiederzufinden, andererseits um seinen Anspruch auf das Bett geltend zu machen — und dort blieb er liegen, eine selbstzufriedene Herausforderung, ein Frechdachs, der sehen wollte, wie weit er gehen konnte. Ich schleuderte meine Tasche durchs Zimmer auf das andere Bett, zog eine Schnute und schnaubte gewollt verächtlich.
    »Also gut. Frauen und Kinder zuerst. Zwerg.«
    Er warf ein Kissen nach mir, und ich wich aus, fing es, fuhr herum und —
    »He, ich bin fast einen Meter groß, du Schwuchtel — autsch!«
    »Ja, ja. Und du wirfst noch immer wie ein Mädchen«, entgegnete ich.
    Mit

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