Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
wenig ergiebigen Standardformularen auch ihre Bewerbung und eine Beurteilung von Alf Kuntz. Die junge Journalistin war, ähnlich wie Katja, als Volontärin zum Kurier gekommen und hatte bei der Zeitung mehrere Stationen durchlaufen. Nach einem längeren Aufenthalt in der Zweibrücker Lokalredaktion und einem kurzen Intermezzo in einer Außenstelle im Landkreis war sie nach Waldenthal versetzt worden. Einige Monate vor ihrem Verschwinden war sie dort befristet übernommen worden.
Renate hatte auch sämtliche Artikel, die unter Tinas Kürzel THO erschienen waren, ausgedruckt. Die meisten befassten sich mit unspektakulären Themen, die zur Routinearbeit jedes Lokaljournalisten gehören. Daneben hatte sie sich intensiv mit dem damals geplanten Jugendzentrum und mit Umweltfragen beschäftigt. Diese Beiträge ließen mehr von ihrer charakteristischen Schreibe erkennen. Velten erkannte sofort ihr außergewöhnliches Talent, auf den ersten Blick sperrige Themen spannend darzustellen, in dem sie sie aus ungewohnten Perspektiven betrachtete. Im Rahmen einer mehrteiligen Serie über das JUZ hatte sie es fertiggebracht, gestandenen Lokalgrößen Jugendfotos abzuschwatzen und sie so in eine direkte Beziehung zum Jugendzentrum zu bringen. Rudolf Denig, der damalige starke Mann der konservativen Ratsfraktion, war in dem Artikel in Pfadfinder-Uniform während einer Radtour in der Eifel zu sehen. Der wesentlich jüngere Ferdi Bauer hatte eine Aufnahme beigesteuert, die in mit wilder Mähne und noch ohne Bart bei einem Supertramp -Konzert in den siebziger Jahren zeigte.
Der Öko-Aktivist spielte auch in weiteren Beitrag eine Rolle. Er verdiente damals seine Brötchen bereits bei einer Umweltschutzorganisation, und Tina begleitete ihn für eine Reportagereihe bei mehreren Ausflügen in die Wälder am Stadtrand, wo er bedrohte Tier- und Pflanzenarten beschrieb. In der Serie wurde auch die seltene Knoblauchkröte erwähnt, nach der beide vergeblich Ausschau hielten, und zwar genau dort, wo später das Industriegebiet Pfaffenwiese entstehen sollte. Es war der einzige Bericht, der die junge Frau mit dem damals bereits umstrittenen Projekt in Verbindung brachte.
„Kein Wunder, dass ich den Artikel nicht finden konnte, als ich im Archiv nach Beiträgen von Tina Hofer zur Pfaffenwiese suchte“, erklärte Katja, als Velten ihr den Ausschnitt zeigte. „Der Name des Industriegebiets wird darin nicht erwähnt, deshalb war die Suchmaschine natürlich machtlos.“
Er wartete ab, bis auch seine Kollegin sich durch die Unterlagen gearbeitet hatte, bevor er ihr seinen Eindruck schilderte: „Sie war tatsächlich sehr an Umweltthemen interessiert und hat viel Zeit mit Ferdi Bauer verbracht. Es liegt auf der Hand, dass er sie dabei auch für die Pfaffenwiese sensibilisiert hat, gegen die er ja damals bereits politisch kämpfte.“ Er ging zu seiner Magnetwand, malte einen Kreis unterhalb des Bildes von Tina Hofer und schrieb F. Bauer hinein.“
Katja stand auf und stellte sich ebenfalls vor die Tafel: „Bauer wäre ein lausiger Politiker, wenn er nicht versucht hätte, Tina für seine Zwecke einzuspannen. Er hat ihr mit Sicherheit in den düstersten Farben ausgemalt, welche vermeintlich katastrophalen Auswirkungen der neue Industriepark auf Flora und Fauna in der Umgebung haben würde. Sie konnte darüber allerdings nicht schreiben, weil die Pfaffenwiese in die Zuständigkeit von Alf Kuntz fiel. Und der war ja ein glühender Verfechter des Projekts, wie er uns gestern selbst erzählt hat.“
„Es scheint jedenfalls so, als sei Kröten-Ferdi das fehlende Glied zwischen dem Industriepark und Tina.“ Velten griff zu einem schwarzen Filzstift und zog eine Linie zwischen Ba uers Namen und dem Porträtfoto der Toten. Dann malte er einen zweiten Strich zwischen dem Umweltpolitiker und der Aufnahme des Erdrutsches.
„Lass uns doch einmal spekulieren“, forderte Katja ihn auf und tippte mit dem Kugelschreiber auf Tinas Foto: „Sie wurde damals von Ferdi Bauer auf die ökologischen Konsequenzen des Industrieparks hingewiesen und kam zu der Überzeugung, dass es falsch wäre, das Projekt zu realisieren. Kuntz hat sie uns als impulsiv und eigensinnig beschrieben. Dieter Kreutzer erwähnte, dass ihr Sinn für Gerechtigkeit ihr manchmal im Weg gestanden habe. Das alles spricht für mich dafür, dass sie durchaus ohne Wissen der Redaktion auf eigene Faust über die Pfaffenwiese recherchiert haben könnte. Und das könnte wiederum erklären, wieso sie
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