Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
Vom Netzwerk:
ockerfarbene Bremsspur, die sich fast über das ganze Bild zog. »Das war der entscheidende Moment«, hatte Ahlen gleich darauf großspurig verkündet und seine Ausbildung in der Malereiklasse von Herburger für beendet erklärt.
    Er war schon ein ziemlicher Kotzbrocken gewesen, der allen auf die Nerven ging. Auch Harry war für ihn ein Kunstspießer. Ahlen hatte sich immer über sein Faible für die deutschen Expressionisten lustig gemacht. Alle »Neuen Wilden«, die damals gerade in Mode kamen, waren für ihn Spießer. Der einzig wahre Wilde war er selbst. Aber am schlimmsten war es, wenn er ihn genüsslich »Harald« nannte. »Hübsch wild, Harald«, hatte er im Vorbeigehen mit süffisantem Blick auf eines seiner Bilder gesagt. In der Kunsthochschule hatte Harry streng darauf geachtet, dass sie ihn immer Harry nannten. Harald, so hieß doch kein Maler. Harry Oldenburg dagegen, das klang schon besser, irgendwie nach amerikanischer Popart.
     
    »Can I help you with some information about the artist?« , fragte eine Frau mit unverkennbar deutschem Akzent. »Do you speak English?«
    »Ja, aber ich spreche auch Deutsch«, sagte Harry.
    »Ah ja, schön«, sagte sie und sah Harry an. Dabei zog sie zweimal hintereinander kurz ihre Augenbrauen nach oben.
    Die Frau hatte an dem improvisierten kleinen Infotisch am Eingang des oberen Stockwerks gestanden. Dabei hatte sie nicht wie eine Besucherin gewirkt, eher als wenn sie hier wohnte. Sie war einen Kopf kleiner und vielleicht zwanzig Jahre älter als Harry. Sie trug ein leuchtend rotes Seidenshirt, das zu ihren tiefrot geschminkten Lippen passte, und einen gerafften Rock aus einem taftartigen schwarzen Stoff. Überall an ihrem Hals und an den Handgelenken klimperten kleine Kettchen, die auf den ersten Blick nicht auseinanderzuhalten waren, ein diffuses Gehänge aus dünnem gehämmertem Gold mit mehreren wertvollen Steinen darin. An ihrem Shirt steckte in einem etwas anderen Rot ein kleines Schmuckstück aus Glas, wahrscheinlich aus Murano, dachte Harry. Sie sah ihn aus ihren dunklen Augen immer noch erwartungsvoll an.
    »Ich hab mit A-Albrecht Ahlen zusammen studiert«, sagte er und kam dabei ein bisschen ins Stottern.
    Seltsam, eigentlich hatte er mit dem Stottern einfach aufgehört, seit er in den USA lebte. Aber sobald er Deutsch sprach, schien das alte Problem wieder da zu sein.
    »Das ist ja spannend. Darf ich fragen, wie Sie heißen?«
    »Harry Oldenburg.« Irgendwie klang das auf einmal ganz eigenartig. Es hörte sich so deutsch an. Ganz anders, als wenn er in den USA seinen Namen nannte.
    Ihm war das nie richtig aufgefallen. Zoe, aber auch er selbst waren dazu übergegangen, seinen Namen Englisch auszusprechen.
    »Harry Oldenburg. Ja, das kommt mir bekannt vor.« Sie sah zu ihm hoch und zuckte mit den Augenbrauen. Und irgendwie hatte Harry das Gefühl, als wollte sie auch erkannt werden.
    »Ach, das ist eigentlich unwahrscheinlich«, wandte Harry ein und ließ seinen Blick über das Ahlen-Wandbild streifen. »Ich male zurzeit gar nicht.«
    »Ach ja?« Es klang fast etwas vorwurfsvoll. Und Harry hatte tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Warum malte er eigentlich nicht mehr? Früher hatte er doch eigentlich wunderbare grellbunte halb abstrakte Landschaften gemalt, die oft auch Seelenlandschaften waren. Aber seine ersten Ausstellungen waren ein Fiasko gewesen. Danach hatte es sich irgendwie ergeben, dass er sich eher auf das Klauen und Fälschen von Bildern verlegte.
    »Ich bin jetzt … ähh … Kunsthändler«, sagte Harry. »In New York.« Das klang ganz überzeugend, fand er.
    Ihr Blick leuchtete gleich wieder auf und ihre Augenbrauen hörten gar nicht mehr auf zu zucken.
    »Ah ja, spannend«, sagte sie.
    Sie sah immer noch gut aus, dachte Harry, wie ein älter gewordenes Hippiemädchen, mit ihren leicht gelockten, etwas widerspenstigen Haaren, in denen sich Grau mit Blond mischte. Er meinte, sie tatsächlich schon mal gesehen zu haben. Aber er konnte sie überhaupt nicht einordnen.
    »Da müssen sie unbedingt zu unserem Empfang kommen«, sagte sie. »Ach, ich hab mich bei Ihnen gar nicht vorgestellt. Ich bin Britt Benning.«
    Harry nickte nur.
    »Wir haben hier so eine Art, na ja, ich mag das Wort ›Verein‹ nicht so. Nennen wir es mal Club: ›Amici dei musei‹.«
    »Amici dei musei«, wiederholte Harry.
    »Wir sind eher so ein bunt gemischter Haufen. Ganz kosmopolitisch. Wir setzen uns hier für die Förderung der zeitgenössischen Kunst ein, mit

Weitere Kostenlose Bücher