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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
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aufgeregt? Harry schoss plötzlich ein furchtbarer Verdacht durch den Kopf. An welchem Bein hatte Francesca die Verletzung? Und mit welchem Bein hatte Zoe gehinkt? Er wusste es im Augenblick einfach nicht. Mit dieser blöden Hinkerei hatten sie sich keinen Gefallen getan. Er hatte es doch gleich gesagt. Aber Zoe hatte das auch noch wahnsinnig komisch gefunden und war einfach losgehinkt.
    Das Telefonklingeln durchschnitt erneut die Stille. Diesmal nahm Lompo ab.
    »Signora, was ist denn so dringend?.Signor Poschmeier … was will er denn noch?« Lompo machte eine wegwerfende Geste.
    Harry fühlte seinen Adrenalinspiegel steigen. Giovanni-Dieter. Was wollte der denn schon wieder? Auf einmal bekam Harry ernsthafte Zweifel, dass er die Questura an den Fondamenta San Lorenzo bald wieder verlassen würde. Er sah sich auf einmal selbst, wie er von dem dicken Ispettore mit dem Schnauzer abgeführt wurde. Zuvor würden sie noch Polizeifotos von ihm machen, wie sie von jedem Inhaftierten überall auf der Welt gemacht wurden. Von vorn, mit grimmigem Blick, und im Profil, die fleischige Nase überbetont, übermüdet und die Pockennarben grell ausgeleuchtet.
    Und auf einmal fiel es Harry ein: Zoe hatte das falsche Bein nachgezogen. Scheiße, Scheiße, Oberscheiße. Und Franca hatte das dem Kommissar gegenüber nicht gesagt. Offenbar hatte sie mit Zoe und ihm noch anderes vor.
    »Nicht jetzt … Signora … sì, sì … certamente … einen Moment muss sich Signor Poschmeier gedulden.«
    Der Kommissar legte die Bleistifte beiseite. Mit spitzen Fingern zupfte er das Zellophan von seinem Tramezzino.
    »Signor Poschmeier-ee«, das »E« zog Lompo diesmal etwas länger, und es sah fast so aus, als ob er die Augen verdrehte, »scheint mehr zu wissen als wir.«

16
    Harry keuchte die Gasse entlang. Er hetzte an dem hellen Renaissancebau der Santa Maria Formosa und dem dahinterliegenden Palazzo Querini Stampalia entlang, wo er und Zoe sich vorgestern das reichlich stramm eingepackte Jesus-Baby von Giovanni Bellini angesehen hatten. Fast hätte er sich schon wieder verlaufen. Er versuchte, sich an den auf die Hausecken gemalten Hinweisen nach SAN MARCO oder RIALTO zu orientieren, die die Touristen durch das Straßen- und Kanälegewirr leiteten. Er musste Zoe finden – dringend.
    Der Commissario hatte das Verhör zu Harrys Erstaunen abrupt beendet. Dabei hatte Harry keineswegs das Gefühl gehabt, dem Kommissar seine hektische Flucht und sein Verhältnis zu Franca auch nur einigermaßen plausibel erklärt zu haben. Aber für einen Haftbefehl hatte es anscheinend nicht gereicht. Zu diesem Zeitpunkt waren die Verdachtsmomente zu dürftig. Doch das konnte sich natürlich ändern, wenn die Polizei weiter ermittelte. Wer konnte schon ahnen, was Franca und dieser Wichtigtuer Giovanni-Dieter noch alles herumposaunten.
    »Wenn etwas mit ihrer Frau sein sollte, benachrichtigen Sie uns, Signor Oldenburg-e.«
    »Ja ja, Sie meinen meine Freundin.«
    »Sì, Signora Zoe. Vero? Rufen Sie mich an.« Harry hatte den Eindruck, dass sich Lompo ganz gern noch mal mit Zoe verabreden würde. »Und wenn Signora Francesca Zenga bei Ihnen auftaucht, sowieso.«
    Der Commissario schloss den dünnen Aktenordner, legte ihn beiseite und warf einen verächtlichen Seitenblick auf den Tramezzino. Er war aufgestanden und hatte ihm eine Visitenkarte überreicht.
    »Signor Oldenburg, halten Sie sich bitte zu unserer Verfügung und verlassen sie Venezia nicht.«
    Harry war heilfroh, diesen Ort endlich zu verlassen.
     
    »Gugge mal, da isser ja wiedr«, kam eine Stimme aus der Reisegruppe heraus, die sich am Campo San Bartolomeo am Fuße der Rialtobrücke vor einer Pizzeria mit Straßenverkauf versammelt hatte und an der Harry vorbeihumpelte. Die Stimme gehörte dem Hänfling in der Jeansjacke.
    »Nu, den Schandarm abgehängt?«, fragte der Kleine in der gefleckten Jeans freudestrahlend mit vollem Mund, was sein Sächsisch nicht unbedingt verständlicher machte.
    Ein verkohlter Champignon trudelte von seinem Pizzastück auf die altehrwürdigen Trottoirplatten des Campo. Sämtliche Mitglieder der sächsischen Reisegruppe hielten für sechstausend Lire recht dürftig mit Pilzen belegte Pizzastücke in den Händen. Als er vorbeihinkte, drehten sich alle kauend, die Serviette mit der Pizza vor dem Mund, zu ihm um.
    »Ja, hat sich alles aufgeklärt«, keuchte Harry atemlos und kam sich ziemlich albern vor, weil er schon wieder so in Eile war.
    Der kleine Sachse winkte ihm zu. Auch

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